NeuGier
und schien mit dem Wasser auch das letzte bisschen Müdigkeit abzuspülen, denn als sie sich ins Bett legte, war sie hellwach. Also stand sie wieder auf, packte ein paar Sachen zusammen und machte sich nach einem Stopp im Supermarkt auf den Weg zum Cottage.
Wie am vergangenen Freitag hatte sie Henry gesagt, dass sie auf einem Workshop in San Francisco gewesen war. In seinen guten Zeiten hätte er sie gefragt, in welcher speziellen Technik sie sich fortbildete, doch nun hatte er es mit nicht mehr als einem knappen Okay quittiert.
Der Gedanke an das, was sie jetzt – wie Jill es ihr prophezeit hatte – tun würde, trieb ihr zwar eine gewisse Furcht in die Glieder, doch er erleichterte sie auch. Sie würde Frühstück machen und Henry irgendwie dazu bewegen, daran teilzunehmen. Sie würde mit ihm sprechen und ihm sagen, ganz besonnen und ohne Vorwürfe, dass ihre Beziehung beendet war.
Sie wollte nicht mehr lügen. Und sie wollte nicht mehr auf gute Zeiten warten, die vielleicht wirklich nie mehr kamen. Sie wäre nicht weniger ein Single, als sie es sowieso schon war – nur ohne das schlechte Gewissen, das sich einschlich, weil sie eben doch noch irgendwie zu Henry gehörte.
So simpel das Vorhaben erschien, die Worte über die Lippen zu bringen, würde nicht leicht sein und Kates Furcht nahm zu, als sie in den Waldweg einbog.
Die Morgendämmerung warf einen rosa Schimmer über die Baumwipfel. Kate ließ das Fenster herunter, um die Luft einzuatmen und das Zwitschern der Vögel zu hören. Als das Cottage in Sicht kam, stutzte sie, nahm den Fuß vom Gas und musterte die beiden Wagen, die dort parkten: Henrys blauer Transporter und Jills Pontiac. Sie stellte ihren Wagen neben Jills ab und stieg aus.
Im Haus schlug ihr nicht, wie sonst, der muffige Geruch von Gleichgültigkeit entgegen, sondern der von Jills Parfüm. Vor der Treppe entdeckte sie einen dunkelgrünen Pumps der Freundin, auf einer Stufe den zweiten, gefolgt von ihren Kleidungsstücken, Henrys Jeans und einem seiner Karohemden.
Auf dem Weg nach oben dröhnte Kates Herzschlag in ihren Ohren. Sie ahnte, was sie sehen würde, und fragte sich, warum sie die visuelle Bestätigung brauchte. In der ersten Etage angelangt, passierte sie ihr eigenes Schlafzimmer und schlich zu Henrys, dessen Tür einen Spalt offen stand. Einigen Abstand bewahrend, spähte Kate in den Raum und zum Bett. Henry schlief auf dem Rücken, einen Arm hinter dem Kopf, einen Arm ausgestreckt. Jills Kopf lag auf seiner Brust, einzelne rote Haarsträhnen fielen in ihr Gesicht. Einen Arm und ein Bein hatte sie über Henry gelegt.
Kate machte kehrt und drehte einige orientierungslose Runden durch das Wohnzimmer und die Küche. Nachdem sie mehrere Minuten vor der Wohnzimmerfensterfront verharrt und in den Wald geschaut hatte, nahm sie die beiden Weingläser vom Tisch und trug sie in die Küche, um sie mit Henrys Kaffeetassen abzuwaschen. Danach setzte sie Kaffee auf, schnitt Obst in eine Schale, briet Eier mit Speck und deckte den Frühstückstisch für drei Personen. Eine Tasse glitt ihr aus den Händen und zersprang auf den Fliesen. Kate fluchte und warf einen Teller hinterher.
Weitere Flüche ausstoßend, nahm sie Besen und Schaufel, um die Scherben zusammenzukehren und in den Müll zu befördern, in der Hoffnung, auch ihren Zorn entsorgen zu können. Stattdessen analysierte sie ihn. Nicht auf Henry war sie sauer – schließlich hatte sie ihn inzwischen dreimal betrogen, und dies mit einem Mann, den sie auch künftig zu sehen beabsichtigte. Ihr Ärger galt allein Jill, die seit Jahren schlecht von Henry sprach und keine Gelegenheit ausließ, ihr zu verdeutlichen, dass er nicht der Richtige für sie war. Jill, die sie praktisch ermutigt hatte, Henry mit Jackson zu betrügen. Jill, ihre beste Freundin. Waren die Männer von besten Freundinnen nicht grundsätzlich tabu? Egal, welchen Stand die Beziehung hatte? Egal, ob die beste Freundin eine Affäre hatte?
In ihre Gedanken verstrickt, erschrak sie fürchterlich, als hinter ihr ein »Oh, Guten Morgen!« ertönte. Kate fuhr herum und sah sich Jill gegenüber. In Henrys Karohemd gekleidet, lehnte sie im Türrahmen.
»Du bist zurück von deiner …« Jill hob die Hände, um Gänsefüßchen in die Luft zu malen, und zwinkerte. »Fortbildung.«
Kate klappte die Kinnlade runter. Eine Hand in die Taille stützend, starrte sie Jill an und brachte kein Wort hervor.
Die hingegen plauderte weiter. »Henry sagte mir, du hättest dich für diesen
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