NeuGier
eventuell weigern, ihn zu küssen. Worauf er gewiss nicht verzichten wollte.
Noch halb in Gedanken öffnete er seinem Bruder.
Der betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Was gibt’s denn zu grinsen?«
Jackson dachte gar nicht daran, seine Miene zu glätten. Er zuckte mit den Schultern und ging zum Fahrstuhl voran.
Zwölf
Wäre es nicht März und folglich ein paar Grad wärmer gewesen und hätte es dazu nicht in Strömen geregnet, hätte Kate ein kurzes Kleid für den Freitagabend mit Jackson gewählt. So blieb sie ihrer Liebe zu Hosen treu und entschied sich für eine Röhrenjeans, ein helles Shirt und ihr Jeansjackett, dessen Ärmel sie umschlug. Französische Chansons summend, tänzelte sie vom Schlafzimmer ins Bad, um ein bisschen Make-up aufzulegen und ihre Haare zu trocken. Danach schlüpfte sie in die blauen Pumps mit den Keilabsätzen, die so gut zur Jeans passten und war schon aus der Wohnung.
Praktisch seit dem Heimweg des vergangenen Freitags freute sie sich auf diesen Abend wie ein Kind auf Weihnachten. Von Tag zu Tag hatte die Vorfreude eine Steigerung erfahren – nach dem Dämpfer vom Montag und Dienstag, als sie so gar nicht wusste, woran sie mit Jackson war. Darüber gesprochen hatten sie natürlich nicht. Kate vermutete, dass Jackson ihr hatte verdeutlichen wollen, dass er gut ein paar Tage ohne eine SMS an sie auskam und ohne Sex. Dass sie damit kein Problem hatte, hingegen schon mit seiner Art ihr das mitzuteilen, hatte sie ihn ebenfalls ohne Worte wissen lassen.
Gerade zu Beginn der Woche war es ihr schwergefallen, ihre Verstimmtheit zu verbergen, weshalb sie tagsüber schon stoisch vor sich hingearbeitet und sich abends zurückgezogen hatte.
Jill hatte zum zweiten Mal angerufen und sich mit ihr treffen wollen, doch Kate brauchte noch immer Abstand. Auf ihre Absage hatte Jill ungewöhnlich betrübt reagiert, was ihr zwar leid tat, aber sie dennoch nicht erweichte.
Und was Henry betraf … Er hatte ihr vorgeschlagen, ihn auf die Ausstellung eines befreundeten Malers zu begleiten, doch sie mochte dessen Bilder nicht sonderlich und befürchtete außerdem, bei der ohne Zweifel stattfindenden Diskussion der beiden nur das fünfte Rad am Wagen zu sein. Außerdem war sie überfordert mit der Nähe, die er so plötzlich zu ihr suchte. Zwar hatte sie ihn gebeten, einen Gang runterzuschalten, damit sie allmählich zu dem Leben mit ihm zurückfinden konnte, doch das schien ihm schwerzufallen. Nachvollziehen konnte Kate das ohne Weiteres, denn die vergangenen Monate existierten für ihn nicht mehr. Für sie selbst waren sie allerdings noch sehr präsent.
Wahrscheinlich, so überlegte Kate, als sie die Stadtgrenze von Palo Alto hinter sich ließ, leistete die Sache mit Jackson ihren Beitrag. Würde sie es beenden, könnte sie sich schneller auf Henry einstellen, aber sie wollte nicht, dass es vorbei war. Die Freitage waren die unantastbaren Highlights ihrer Woche, und sie brauchte Jackson. Aus irgendeinem Grund brauchte sie ihn mehr, als sie jemals etwas anderes in ihrem Leben gebraucht hatte. Dieses Eingeständnis brachte ein so gutes Gefühl mit sich, wie es beunruhigend war.
***
Eine Stunde später betrat Kate das Erotikcenter im Marina District von San Francisco. Anfangs nahm sie kaum eine Sache wahr, da sie sich unbehaglich fühlte. In einem Sex Shop war sie noch nie gewesen und befürchtete zudem, die einzige Frau unter lauter Männern zu sein. Dem war nicht so, und all die Leute, die ihr in den Gängen begegneten, machten einen so stinknormalen Eindruck, als sei dies das ›Bed, Bath & Beyond ‹und sie auf der Suche nach einem Duschvorleger.
Kate entdeckte Jackson nirgends und schlenderte herum. Zuerst schaute sie bei den Lustkugeln. Solche besaß sie nicht und zweifelte, ob die funktionierten. Gleich daneben gab es Dildos in allen Farben und Ausführungen. Einen Dildo hatte sie sich zwar vor Jahren zugelegt, doch der verstaubte inzwischen irgendwo. Gerade blieb ihr Blick an einem besonders interessanten Exemplar hängen, das zugleich in Vorder- und Hinterpforte eingeführt wurde, da bemerkte sie jemanden neben sich.
»Hast du schon etwas Passendes gefunden?«, hörte sie Jackson fragen und wandte sich ihm zu.
Wieder einmal sah er umwerfend aus. Er trug ein rotes Shirt und Bluejeans. Ein Blick in seine Augen genügte, um das Prickeln in ihr heraufzubeschwören. So sehr sie sich bemühte, sie konnte in Jackson keinen Fremden sehen und würde das nie wieder können. Da sie den Anschein bewahren
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