NeuGier
nicht gehen. Er wollte Sex. Punkt. Wie er es ihr gesagt hatte. Gab er die Kontrolle ab, würden die Dinge aus dem Ruder laufen. Er würde mehr wollen. Sie würde mehr wollen. Und dies würde das Ende ihrer fantastischen Reise bedeuten. Denn ein Mehr war einfach nicht drin. Ein Mehr bedeutete Grenzen ganz anderer Art, und Fesseln, aus denen er sich vor nicht ganz zwei Jahren unter Höllenqualen befreit hatte – als er festgestellt hatte, dass es gar nicht mehr sein Leben war, das er lebte, sondern ein ihm auferlegtes. Ein Leben voller Regeln, Pflichten,Verboten,Selbstverständlichkeiten und Routine. Die Gewohnheit und die Bequemlichkeit waren es gewesen, die ihn blind gemacht hatten, während so etwas wie Liebe und Geborgenheit es ihm schwer gemacht hatten, sich davon zu lösen.
Möglicherweise, gestand sich Jackson ein, war er beziehungsunfähig. Was ihn beengt hatte, waren nun einmal die typischen Charakteristika einer Partnerschaft. Eine feste Beziehung forderte ein Maß an Selbstaufgabe und die Bereitschaft zu Kompromissen. Jackson wollte weder das eine noch war er zum anderen bereit – eine ziemlich egoistische Einstellung. Allerdings mochte er nicht irgendwann auf sein Leben zurückblicken und bedauern, bestimmte Dinge nie getan, Reisen nie unternommen, Erfahrungen nie gemacht zu haben. Er wollte keine Freiheiten vermissen, die er nicht gehabt hatte, weil er sie sich selbst nicht eingeräumt hatte.
Jackson war sich sicher, dass dies kein ewig währender Wunsch war, denn Prioritäten verschoben sich häufig im Leben. Solange er dieses Bedürfnis jedoch so stark in sich spürte, konnte er sich schlichtweg nicht auf jemanden einlassen, ohne diesen Menschen und sich selbst unglücklich zu machen.
***
Kates Nachricht ging am späten Nachmittag ein. Sie schrieb ihm das »Bonjour«, das er ihr heute verweigern würde. Er ignorierte es und fühlte sich so lange mies, bis er in einem Telefonat mit der Stadtverwaltung von San Francisco wieder an seine anderen, doch wirklich bedeutenderen Sorgen erinnert wurde. Das daraufhin nur noch leise nagende Gefühl, das ihm sagte, dass etwas nicht in Ordnung war, bestätigte ihn in seinem Verhalten.
Auf Kates zweite Nachricht kurz vor Mitternacht, in der sie sich erkundigte, ob alles okay sei, war er versucht zu antworten, schaltete das Handy jedoch aus. Als er es am nächsten Morgen wieder in Betrieb nahm, erwartete er, ihren geballten Ärger in etwa zwanzig SMS zu lesen, doch sein Posteingang blieb leer. Bis zum Mittag zumindest, wo sie sich zum dritten Mal meldete und die Aussage, dass sie sich Sorgen machte, mit drei Ausrufezeichen bekräftigte.
»Was ist denn los?«, antwortete Jackson endlich. »Ich bin in einem Meeting.«
Das stimmte nicht ganz. Bis zum Meeting war es noch eine Stunde.
In der vier Stunden dauernden Besprechung kontrollierte Jackson gefühlte hundertmal das Display seines Mobiltelefons. Kate reagierte nicht. Stattdessen gingen zwei SMS von David ein, die er nicht einmal las.
Die Verstimmung, die sich seiner bemächtigt hatte, war zu vergleichen mit einer Schlange, die sich in den Schwanz biss: Es war sein Ärger, der ihn ärgerte, und er hatte keine Ahnung, wie er ihn loswerden sollte – außer mit einer Nachricht an Kate, in der er sich nun seinerseits erkundigen müsste, ob es ihr gut ging.
Er blieb konsequent und fragte nicht. Er fuhr nach Hause, ging auf geradem Weg in sein Büro und konzentrierte sich auf seine Zeichnungen.
***
Bonjour
, schrieb Jackson am nächsten Morgen gleich nachdem er aufgewacht war.
Ich hab von dir geträumt.
Mit ihrer Antwort ließ sie sich eine halbe Stunde Zeit.
Dann träum mal weiter!
, las er und grinste. Sie war also sauer.
Das würde ich zu gern tun, aber ich muss mich leider an den Zeichentisch setzen.
Ach, nicht in ein Meeting?
Angriffslustig war sie außerdem. Es würde nicht leicht sein, die Biege zu kriegen und sie sanft zu stimmen.
Nein, heute nicht. Heute habe ich Zeit, dir zu schreiben.
Zeit hattest du gestern garantiert auch. Aber keine Lust.
Lust habe ich immer, insbesondere nach meinem Traum.
Kate ging nicht darauf ein. Sie schwieg.
Wenngleich das abwegig war, meinte Jackson über die Meilen hinweg zu spüren, wie ihr Zorn nach und nach verblasste und ihre Neugier und ihr Sehnen die Oberhand gewannen. Nachvollziehen konnte er es vielleicht deshalb, weil es ihm ähnlich ging. Wurde das, was sich während des Wartens in ihm abspielte, auch hin und wieder von der Sorge überschattet, dass er
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