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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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Einwandererkindern beträgt nach wie vor 93   %. Überwiegend aus bildungsfernen Familien. Die Schule analysiert die Defizite und geht sie an.
    Heute, sechs Jahre später, hat das Gymnasium 691 Schüler. Wir mussten die Räume erweitern. Es ist inzwischen eine sehr beliebte Schule. Die Zahl der Abiturienten wurde versechsfacht. Die Noten liegen im Berliner Durchschnitt, und heute hat jeder Berliner Bezirk ein Ganztagsgymnasium. Über die Kosten hatte ich bereits berichtet. Das Albert-Schweitzer-Gymnasium ist keine bildungspolitische Revolution. Aber es hat uns gezeigt, dass Schule und Bildung auch im sozialen Brennpunkt funktionieren können.
    Das sind die Beispiele, die ich an anderer Stelle meinte. Das Albert-Schweitzer-Gymnasium und die Rütli-Schule sind zwei Leuchttürme Neuköllns. Trotzdem reicht ihre Kraft natürlich nicht, um die Gesamtsituation in einer Stadt von 313   000 Einwohnern zu verändern. Solange wir die Regelsysteme nicht den veränderten Anforderungen anpassen, solange werden die Probleme uns beherrschen und nicht wir sie. Auch in Neukölln haben wir noch immer Schulen mit starken Disziplinproblemen, mit Schulverweigerern, Rowdys, Gewalt und Vandalismus. Die ethnischen Komponenten wirken dabei im Tagesgeschäft unserer Kollegien erschwerend. Die Rütli-Schule war nur das Synonym für eine gescheiterte Bildungspolitik. Immer wieder gibt es solche Aufwallungen in anderen Bezirken Berlins oder auch bei uns. Die nachstehenden Auszüge eines Briefes der Lehrerschaft einer anderen Neuköllner Schule stammen von Mitte 2011. Also fünf Jahre nach Rütli. Hat sich grundlegend etwas geändert?
»Folgende Probleme sind in den höheren Jahrgangsstufen besonders gravierend und führen das Kollegium an die Grenze seiner Belastbarkeit:
geringe Lernbereitschaft
mangelnde Sprachkompetenz, sowohl bei Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache als auch bei deutschen Schülern
fehlendes Arbeitsmaterial
vermehrte Verspätung und erhöhte Schuldistanz
massive Störung des Unterrichtsablaufs durch immer mehr verhaltensauffällige Schüler
gesteigerte Missachtung gegenüber der Institution Schule (Zerstören von Mobiliar, Müll auf den Boden werfen, Urinieren in Aufgängen, Spucken auf Boden, Treppengeländer und Türklinken usw.)
zunehmende Respektlosigkeit, Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern, Lehrerinnen und Lehrern und pädagogischem Personal
Im April 2011 wurde ein Lehrer von einem Schüler des 9. Jahrgangs mehrfach beleidigt und körperlich bedroht.
Innerhalb von sieben Monaten hat unsere Schule drei gewaltbereite, verhaltensauffällige Schüler aus anderen Schulen aufgenommen. Sie mussten Klassen zugewiesen werden, die ihrerseits als überdurchschnittlich schwierig gelten. Zwei dieser Schüler hatten an ihren vorherigen Schulen Lehrer verletzt, an unserer Schule bedrohte einer dieser Schüler eine Lehrerin und beabsichtigte außerdem, einen pädagogischen Mitarbeiter anzugreifen, was Mitschüler jedoch verhindern konnten.«
    Wenn ich über diese Dinge berichte, sie aufschreibe und publiziere, dann will ich mich daran nicht ergötzen. Aber man kann es drehen und wenden, wie man will: Schule ist in einem Brennpunktgebiet schon der Kristallisationspunkt schlechthin. Dafür ist ein trauriger Beleg, dass in einer Neuköllner Schule niemand von den Eltern zum vorgesehenen Termin erschien, um sich in die Schulkonferenz wählen zu lassen. Es war den Eltern völlig egal, was an der Schule ihrer Kinder passierte. Mitmachen, warum denn? Ein Jahr später war es nicht viel besser. Auf ein erstes Einladungsschreiben zur Besetzung von 20 Plätzen in der Elternvertretung erschienen vier Eltern. Auf eine zweite Einladung kamen sieben. Auf die Einladung zum Elternsprechtag anlässlich des Jahrgangswechsels aus der 8. in die 9. Jahrgangsstufe und zur Durchführung eines Schülerpraktikums erschienen von 40 Eltern lediglich fünf.
    Positivbeispiele sind Neuköllner Schulen, die immer wieder nationale und internationale Preise gewinnen. Teilweise zum zweiten oder dritten Mal. Das sind Schulen mit sehr starken Leitungen, hinter denen sich gerne Lehrer versammeln, die ihre eigenen hohen Maßstäbe in die Praxis umsetzen wollen. Es sind die, die sagen: Ich kann es, ich weiß, dass es geht, und ich werde Erfolg haben.
    Hierunter fällt auch der von einer Deutschlehrerin in einer Sekundarschule mit schwieriger Schülerschaft gegründete Literaturzirkel. Der »Eintrittspreis« in den

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