Neukölln ist überall (German Edition)
letzten 20 Jahren bestätigen im Ganzen diese Sicht. Gerade die, die am lautesten nach Akzeptanz, nach Respekt und nach Toleranz rufen, sind diejenigen, die den niedrigsten Vorrat an diesen Kompetenzen aufweisen können. Prof. Pfeiffer kommt im Übrigen zu dem Ergebnis, dass die wirksamste Gegenmaßnahme gegen all diese Integrationshemmnisse im Bereich der Kriminalität ein möglichst frühes und langes gemeinsames Aufwachsen, Lernen und Miteinanderleben der kommenden Generationen wäre. Er spricht sich deshalb vehement für eine Vernetzung der Menschen im Alltag aus. Nur eine wie auch immer geartete Form der Durchmischung könne für das Aufbrechen der Barrieren sorgen. Leider kann ich ihm an dieser Stelle nicht folgen. Nicht, weil ich inhaltlich anderer Auffassung wäre, aber eine Bevölkerungsmischung wiederherstellen zu wollen ist Utopie. Die Segregation der Stadtquartiere ist aus meiner Sicht irreversibel. Die Durchmischung ist Geschichte, die bildungsaffinen Familien werden nicht zurückkommen. Wir müssen uns damit abfinden, dass sich geschlossene Stadtlagen entwickelt haben, in denen sich einzelne Ethnien selbst organisieren und auch ihr eigenes Dorf wiederauferstehen lassen. Parallelgesellschaften eben.
In jüngster Zeit mussten wir uns immer stärker mit der Erscheinungsform der Kinderkriminalität auseinandersetzen. In Berlin zählen wir pro Jahr etwa 5100 Kinder zwischen 12 und 14 Jahren, die Straftaten begehen. Schon unter den 8- bis unter 12-Jährigen sind es mehr als 2000. Knapp 50 Kinder gelten in Berlin bereits als Intensivtäter. Das kann im Einzelfall an der persönlichen Entwicklung und den Lebensumständen liegen. Leider haben wir aber auch den Eindruck, dass in verschiedenen Familien Kinder planmäßig zur Kriminalität erzogen und ausgebildet werden. Das ist wohl traditionell ein Markenzeichen von durchziehenden Banden aus Südosteuropa. Aber nicht nur. Teile der organisierten Kriminalität machen sich bewusst die Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren zunutze: Wird ein Kind unter 14 Jahren bei einer Straftat erwischt, nimmt es die Polizei in Gewahrsam. Routiniert holt das Kind einen Zettel mit einer Telefonnummer aus der Tasche. Auf den Anruf der Polizei, dass sich das Kind bei ihr befindet, kommt jemand und holt es wortlos ab. Dieser Vorgang kann sich durchaus in einem kurzen Zeitraum mehrfach wiederholen. Deutlicher kann man uns die Grenzen des Rechtsstaats nicht aufzeigen.
Eine Besonderheit waren in Berlin vor etwa zwei Jahren sogenannte Kinderdealer. Diese erklärten im Falle der Festnahme, sie seien unter 14 Jahren und müssten deshalb wieder laufen gelassen werden. Von Statur und Aussehen war ihnen die Aussage nicht zu widerlegen. Es entwickelte sich eine heftige öffentliche Diskussion, wie lange Polizei, Justiz und Politik bräuchten, um überhaupt eine Möglichkeit zu schaffen, diese »Kinder« medizinisch untersuchen zu lassen. Die Wehrhaftigkeit unseres Rechtssystems wurde tatsächlich massiv der Lächerlichkeit preisgegeben. Insider der Szene wussten damals längst, dass es sich nicht um Kinder handelte. Es waren Angehörige eines besonders kleinwüchsigen Stammes aus dem arabischen Raum, die von Berliner Clans für den Drogenhandel eingekauft und importiert worden waren. Davor hatte es eine solche Masche schon einmal mit zierlichen Menschen aus Südosteuropa gegeben. Als es routinierte Untersuchungen und Nachweise des natürlich viel höheren Lebensalters gab, war der Spuk recht bald vorbei. Gleichwohl ist es ein gutes Beispiel dafür, wie ideenreich bestimmte Bevölkerungsgruppen unsere staatlichen Institutionen quasi an den Rand der Handlungsunfähigkeit führen können. Einen Rechtsstaat auszutricksen ist nicht allzu schwer. Insbesondere dann nicht, wenn er auch noch nur zögerlich mit seinen eigenen Instrumenten umgeht.
Angesichts der zunehmenden Brutalität herrscht bei den Fachleuten wenn nicht Hilflosigkeit, dann zumindest Ratlosigkeit. Die Aspekte der täglichen Gewöhnung an Gewalt, das Heranzüchten von kleinen Paschas, die das Gefühl überhaupt nicht kennen, in die Verantwortung genommen zu werden, der Väter, die selbst das Geld aus öffentlichen Kassen nicht für ihre Kinder ausgeben, sondern es verspielen, bis zu der Frage, wie selbst junge Menschen schon so verrohen können, bauen ein schier unüberwindliches Bollwerk auf. In der Jugendgerichtshilfe und vor Gericht sitzen brutalste Täter, vergießen Tränen und bemitleiden sich selbst: wie schlecht sie es haben,
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