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Neukölln ist überall (German Edition)

Neukölln ist überall (German Edition)

Titel: Neukölln ist überall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Buschkowsky
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von Ehre, Familie, Beleidigtwerden oder Benachteiligtsein sind in den Köpfen dieser jungen Leute schon allein die Rechtfertigung dafür, einen anderen Menschen niederzustechen, ihm mit Stiefeln ins Gesicht zu treten oder zu springen und damit seinen Tod billigend in Kauf zu nehmen.
    »Wer zeigen will, dass er ein vollwertiger Mann ist, muss jemanden mit einem Messer verletzt haben«, sagt ein Polizeibeamter. Einen Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe in Bus oder U-Bahn zu schlagen oder zu treten, ist eine Mutprobe. Ein zweifelhafter Ritus, dem in Berlin täglich zwei Angestellte der BVG zum Opfer fallen. Als Anmerkung möchte ich nicht unerwähnt lassen, wie man diesem Spuk schnell ein Ende bereiten könnte. Für 30 Cent Aufschlag pro Fahrschein könnten 2000 Sicherheitskräfte mehr bei der BVG dafür sorgen, dass die Verkehrsmittel von jedem angstfrei benutzt werden können. Das wäre übrigens nichts aufregend Neues. In London bezahlen die Verkehrsunternehmen jährlich umgerechnet bis zu 190 Millionen Euro, damit 2000 Polizeikräfte im Bereich des Nahverkehrs für Sicherheit sorgen.
    Zu welch verwirrten Gedanken dieses vordemokratische Erziehungsmuster bei jungen Männern führt, erklärt uns einer von ihnen auf die Frage, wie seine Zukunft aussehen soll, so: »Ich weiß es nicht, aber Gewalt wird immer eine Rolle in meinem Leben spielen.« Und was er werden will? »Vielleicht Kriminalkommissar oder Bodyguard. Irgendetwas, das mit Schlagen zu tun hat, und wo man viel Geld verdient.« Die Londoner Polizei macht sich diese kruden Gedanken zunutze. Ich erinnere an die Ausführungen zu den Volunteer Police Cadets in London.
    Die wirtschaftliche Verelendung durch Arbeitslosigkeit und die mangelnden Möglichkeiten, den Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, führen zu einer stark eingeschränkten Liquidität der jungen Leute. Umgangssprachlich ausgedrückt, haben die Jugendlichen oder Heranwachsenden keine Kohle, um sich all das zu kaufen, was sie unbedingt haben wollen oder meinen, haben zu müssen. Das ärgert sie, und sie fühlen sich ausgeschlossen und diskriminiert. Andere, meist die verhassten Deutschen, haben vermeintlich all das, was sie nicht haben. Das passt nicht in ihr Weltbild. Oft tritt zu ihrer materiellen Situation noch eine fundamentalistische Überreligiosität. Sie sind doch die besseren Menschen, und allein aus diesem Grund können sie ihre so empfundene Diskriminierung nicht hinnehmen. Ihre übermäßige, religiös fundierte Wertschätzung dieser Gewalt-»Kultur« ermächtigt sie dann zu dem, was wir Kriminalität nennen. Bei einem Streitgespräch mit dem Rapper Bushido erklärte mir dieser, dass die Jungs, über die ich hier rede, einen Finanzbedarf von 300 bis 500 Euro am Tag haben. Auf legale Art und Weise kommen sie niemals an solche Summen. Sozialneid und das Gefühl, von der Gesellschaft nicht gemocht zu werden, also ein unschuldiges Opfer zu sein, sind häufig die Grundlage für Suchtverhalten und eben auch für Kriminalität.
    Nicht entscheidend, aber sicher verstärkend muss man zumindest einen kleinen Hinweis darauf verwenden, dass auch der Konsum von Brutalo-Filmen im Fernsehen und am Computer einen wesentlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und das Verhalten der Jugendlichen ausübt. In diesem Bereich ist davon auszugehen, dass türkischstämmige 10-Jährige durchschnittlich 210 Minuten täglich vor dem Bildschirm verbringen. Die Vergleichszahl für gleichaltrige deutsche Kinder beträgt 130 Minuten.
    Zusammenfassen kann man die Risikofaktoren für Kriminalitätserscheinungen in den Einwanderercommunitys wie folgt: mangelnde Bildung, eigene Gewalterfahrung, Erziehungsstil der Machokultur, ständiger Geldmangel gepaart mit religiöser Selbsterhöhung. Kommen all diese Faktoren zusammen und hat das Wertegefüge unserer Gesellschaft – umschrieben mit Begriffen wie Disziplin, Fleiß, Ordnung, Rücksichtnahme, Toleranz und Respekt vor anderen – keinen Eingang in die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen gefunden, dann ist eine randständige Karriere recht wahrscheinlich.
    Nach all seinen Studien und Forschungen kommt Prof. Pfeiffer zu dem Ergebnis, dass bei muslimischen Jugendlichen die Feindlichkeit gegenüber anderen Kulturkreisen und Verhaltensweisen oder Religionen wie zum Beispiel Deutschen, Homosexuellen oder Juden am stärksten ausgeprägt ist. Diese herbe Aussage wird den Muslimen nicht gefallen. Aber auch meine Erfahrungen in den

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