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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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waren, hab ich mir noch zwei Nutten in mein Bett bestellt, aber die Traurigkeit wurde ich nicht los. Normalerweise fühl ich mich so, wenn ich Leichen finde, und wenn ich mit den Nutten ein bisschen vida loca mache, vergeht das. Diesmal,ich weiß nicht warum, ging die Traurigkeit nicht weg. Dieser Mister Dori und Señorita Inbar und diese Seela, die überhaupt keinen Punkt machen kann, sind mir ans Herz gewachsen. Ich lasse sonst nicht zu, dass mir das mit Kunden passiert, damit mich das nicht beim Suchen behindert. Vielleicht werde ich ja alt. Vielleicht sollte ich den Waisenjungen adoptieren, der die ganze Zeit die Stufen hoch- und runterhüpft, vom Hügel runter zur Bucht, wo die Boote anlegen, und aufhören herumzuziehen. Vielleicht auch nicht. Und vielleicht sind die Nutten hier auf der Insel einfach nicht clase .
    Nachdem die Letzte gegangen war, mit ihrer Strumpfhose in der Hand, hab ich meinen Mann in Buenos Aires angerufen.
    Hör zu, Victorcito, hab ich ihm gesagt, ich will, dass du sie auf dem Flughafen erwartest. Für die Señorita musst du ein paar Packungen Erdnussflips kaufen. Ist mir egal, wo du die auftreibst. Und für Mister Dori kauf bitte einen Mantel, aber einen guten, eh ? Nicht nur gegen Regen, auch gegen Wind. Egal, was es kostet. Er läuft hier mit so einem Jäckchen herum, und ich will nicht, dass er sich noch eine Lungenentzündung fängt. Danach führ sie zum Essen zum Asado de Amore , ja, ich weiß, das ist teuer, ich geb dir das Geld, keine Sorge. Alles, worum sie dich bitten – mach. Jede kleine Sache, die sie brauchen – besorg sie ihnen. Und keinen Unfug mit der Señorita, eh ? Ich warne dich, Victorcito, sollte ich erfahren, dass du sie mit dem Nagel deines kleinen Fingers berührt hast, schneid ich dir dein linkes Ei ab. Lo más importante , wenn sie auf die Farm kommen, dann will ich, dass du mich anrufst und mir erzählst, was da passiert. Wie dieser Ort aussieht, den sein Vater da errichtet. Wie seine Begegnung mit Mister Dori war. Und wehe, du rufst mich erst zwei Stunden später an, Victorcito. Ruf mich sofort an. Auf der Stelle, sonst schneid ich dir auch das rechte Ei ab, entiendes ?

Lili
    Lustig, das, was ihr von dem lang ersehnten Moment ihrer Ankunft im neuen Land, von der ersten Berührung ihrer Füße mit dem heiligen Boden, der ganz aus Sand, aus weichem Sand bestand, jetzt einfällt, ist die Stimme eines Knaben; er schrie: Meine Tefillin ! Die Tefillin !
    Komm schnell, riefen die jungen Männer, die am Strand warteten. Er insistierte auf Polnisch, was sie aber nicht verstanden: Meine Tefillin ! Ein Geschenk meines Vaters! Sie sind ins Wasser gefallen! Und sie drängten ihn auf Ivrith, was er nicht verstand: Komm schnell, die Briten sind schon unterwegs. Als er stur blieb, packten sie ihn an seinen nassen Kleidern und schleppten ihn mit Gewalt weg, damit er nicht die anderen illegalen Ankömmlinge gefährdete.
    Bevor Katriel, der Kommandant, den die Hagana ihnen auf ihr Schiff geschickt hatte, beschloss, das Schiff vor der Küste von Tel Aviv auf eine Sandbank auflaufen zu lassen, hatte er es schon vor der Küste von Jaffa probiert. Bei diesem Versuch waren zwei Passagiere durch Schüsse von einem britischen Patrouillenboot umgekommen. Doktor Schwarz und Zwi Bichler. Wenn sie jetzt daran denkt, zucken ihre Schultern zusammen, als hätte ein Spritzer eisiges Wasser sie getroffen. Eine kurze Salve aus einem Maschinengewehr in Richtung Deck. Zwei Tote. Zwei Witwen. Drei Waisen. Als habe jemand, den sie sich manchmal als eine Art »Schicksalsclown« vorstellte, eine Gestalt mit umgebundener Fliege und ausgeprägtem Humor, ihnen zeigen wollen, dass in diesem Land, dem sie sich näherten, nicht nur Milch und Honig flossen, sondern auch Blut, und ihnen eine letzte Möglichkeit gegeben, sich zu entscheiden.
    Das war natürlich Unsinn. An diesem Punkt der Reise hatten sie keine Wahl mehr gehabt: Nachdem die Schüsse abgegeben worden waren, hatte sich das Schiff zwar einige Kilometer zurückgezogen, aber man wartete nur auf einen glücklicheren Augenblick, sich erneut der Küste zu nähern. Alle Passagiere hatten angespannt undschockiert an Deck gesessen oder gelegen. Zwei Kreise von Trauernden saßen um die Witwen, sie schützend, damit sie in ihrem Unglück nicht in den Tod sprangen.
    Um zwei Uhr mittags näherte sich ihnen ein kleines Schiff und begann, mit Morsetelegrafie zu funken. Fima, der neben Lili stand, übersetzte für sie die verschlüsselte Nachricht: Die

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