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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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charmant mit den Augen – und kurz danach kommt er mit ein paar Kopien zurück. Gib uns deine Mail-Adresse, bittet sie Dori, für den Fall, dass wir deinen Vater treffen, und er diktiert ihr die Adresse, die er eigens für diese Reise eingerichtet hat: [email protected]. Sie senkt den Blick aufs Blatt, und als sie ihn wieder hebt, macht ihn der Ausdruck in ihren Augen verlegen, und so senkt er seinen.
    Danach werden die ersten Koffer auf das Gepäckband geworfen. Alle außer seinem. Na wunderbar, denkt er. Kein Handy, und jetzt ist auch noch der Koffer weg. Noya meint, sie können mit ihm warten, bis sein Koffer kommt, doch er drängt sie, schon in ihr Hostel zu fahren. Kann sein, dass der Koffer woandershin geflogenist, dann muss ich jetzt bestimmt Formulare ausfüllen, sagt er, und außerdem treffen wir uns sicher noch unterwegs. In Ordnung, erwidert Noya, erst etwas traurig, dann stellt sie sich auf die Zehenspitzen und gibt ihm ziemlich überraschend einen Kuss auf die Wange. Für einen Moment, nur für einen Moment würde er gern über ihr schönes Haar streichen, aber sie ist ein junges Mädchen und er ist bereits Vater. So reicht er ihr die Hand zu einem kurzen, künstlichen Händedruck, verabschiedet sich und wünscht ihr und ihren beiden Begleitern eine schöne Reise. Danach entfernen sich die drei, bahnen sich mit ihrem Gepäckwagen den Weg in die Neue Welt, wie Kolumbus.
    *
    Hey man, hay problemas? Eine warme Hand legt sich auf seine Schulter. Dori dreht sich überrascht um und entdeckt einen kleinen, muskulösen Mann, der ihn herzlich anlacht, als kennten sie sich noch aus der Jugendbewegung. Shalón, Mister Dori , sagt der Mann und umarmt ihn überraschend, I am Alfredo , und bevor Dori entscheidet, was er mit dieser heftigen Begrüßung machen soll, löst sich Alfredo schon von ihm, geht zum Lost-and-found-Schalter. Qué pasa? , rügt er den Beamten in energischem Spanisch, zieht einen Geldschein aus einer glänzenden Lederbörse, reicht ihm den und fragt Dori dabei, woher sein Anschlussflug denn gekommen sei. Barcelona, antwortet Dori, und der Beamte notiert und füllt alle anderen Angaben aus, von denen er bis vor einer Sekunde noch verlangt hatte, dass Dori sie selbst ausfülle. Scheiß Bürokratie, murmelt Alfredo, als sie sich vom Schalter Richtung Ausgang entfernen. Don’t you worry , dein Koffer ist in achtundvierzig Stunden hier. Dieser imbecil hat jetzt ein persönliches Interesse, ihn für dich zu finden. Inzwischen kaufen wir dir eine mochila . Einen Koffer zu haben ist hier sowieso nicht so geschickt. Wir kaufen dir auch etwas zum Anziehen. Ein ganzes Set kostet hier so viel wie in Tel Aviv ein Paar Unterhosen. Verzeih, in Jeru salén , du bist ja aus Jerusalén, nicht wahr? Da würd ich gern mal hin. Auf den Spuren Jesu umherziehen. Ist ein guter Mann gewesen, der Jesus. Ein bisschen ein freyer , wie man bei euch sagt, aber ein guter Kerl. Ist in deinem Koffer irgendwas Wichtiges? Ja, nickt Dori, die meisten Fotos von meinem Vater. Hijo de puta , schimpft Alfredo, und Dori spürt einen Schauer des Versagens auf seinem Rücken. Doch dann wird klar, dass Alfredo auf einen stattlichen Polizisten schimpft, der neben einem roten Ford Fiesta steht und einen Strafzettel schreibt. Hey, muchacho , ruft er, geht auf den Mann in Uniform zu, wechselt mit ihm ein paar Worte, die dazu führen, dass der Strafzettel schnell wieder verschwindet, und öffnet Dori die Tür. Nicht dass du denkst, sagt er und lässt den Wagen an, Ecuador wäre kein Rechtsstaat. Aber der Vater von diesem Polizisten, der arbeitet als Informant für mich, und da verstehst du schon, dass es sich für ihn lohnt, sich mir gegenüber anständig zu benehmen. Bist zu hungrig? Durstig? Geil? Ich mach nur Spaß, ich hab den weißen Ring um deinen Finger gesehen. Wie? Es ist mein Job, auf solche Dinge zu achten, auch auf die kleinsten. So oder so, du solltest dafür sorgen, dass er schnellstmöglich verschwindet, denn das vertreibt die chicas . Ich mach doch nur Spaß, ein bisschen Humor, Mister Dori! Prima, dass du ohne Ehering gekommen bist. Hier können sie dir wegen so etwas den Finger abschneiden. Und trotzdem, du musst wissen, Quito ist schon in Ordnung, eine schöne Stadt. Eigentlich ziemlich entspannt. Nicht mehr als acht, neun Morde pro Tag. Möchtest du Erdnussflips? Ich hab im Büro einen ganzen Vorrat, sagt er und reicht Dori die Packung. Nein, magst du nicht? Aber ich nehm mir ein paar, wenn es dich nicht stört. Dann red

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