Neumond: Kriminalroman (German Edition)
deshalb an den Schlüssellöchern, bis er die richtige Tür ausfindig gemacht hatte, riss sie auf und sah direkt in das erschrockene Gesicht von Hausmeister Lechner.
»Herrgott! Sind Sie wahnsinnig? Können Sie nicht anklopfen? Herzinfarkt lässt grüßen.« Er ließ die Zigarette, die er hinter seinem Rücken versteckt hielt, in einen Eimer fallen, wo sie mit einem leisen Zischen ausging.
Morell ließ sich nicht beirren, fasste in die Brusttasche von Lechners Blaumann und fischte eine Schachtel Marlboro heraus. »Wer das Rauchen aufgibt, verringert das Risiko tödlicher Herz- und Lungenkrankheiten«, las er den Warnhinweis darauf vor. »Und wer das Rauchen in öffentlichen Gebäuden aufgibt, verringert das Risiko, gefeuert zu werden«, fügte er hinzu.
Lechner nahm ihm die Zigaretten aus der Hand und steckte sie zurück in seine Brusttasche. »Machen wir es kurz und schmerzlos«, sagte er. »Was wollen Sie dieses Mal dafür, dass Sie mich nicht anschwärzen?«
»Informationen.«
»Schon wieder? Von mir aus.« Er drehte sich zur Seite und holte aus einem Regal mehrere Flaschen mit Reinigungsmitteln, mit denen er seinen Putzwagen bestückte.
»Haben Sie keine Angst, dass Sie in die Luft fliegen könnten, wenn Sie zwischen den ganzen Chemikalien rauchen?«
»Ach«, winkte Lechner ab, schob den Wagen auf den Flur und verschloss die Tür. »Besser schnell im Kammerl explodiert, als langsam im Krankenzimmer krepiert«, reimte er.
Morell unterdrückte einen Lacher.
»Also, was wollen Sie wissen?« Lechner tauchte seinen Wischmopp in den Eimer, in dem noch immer die halbgerauchte Zigarette schwamm, und fing an zu wischen.
»Ich würde gerne wissen, ob es hier im Sanatorium ein Schneemobil gibt.«
»Klar. Zwei sogar. Mit allem Zubehör: Anhänger, Rettungssitze und so Zeugs. Halt alles, was man braucht, um Verletzte zu transportieren.«
Oder Leichen. »Und wo sind diese Schneemobile?«
»In der Garage.«
Morell musste erneut niesen. »Können wir vielleicht einen kurzen Blick dort hinein werfen?« Er fischte ein Papiertuch aus dem Putzwagen und schnäuzte sich. Ein leichtes Frösteln kündigte an, dass eine Erkältung im Anmarsch war. Kein Wunder – er war immerhin mit klatschnassen Füßen in Rainers muffigem Keller herumgestanden.
»Muss das sein?« Lechner wischte wie ein Wilder. »Ich bin mit meinem Arbeitspensum eh schon hinten dran.«
»Tja, dann hätten Sie sich Ihre kleine Zigarettenpause sparen sollen.«
Lechner verdrehte die Augen und packte den Wischmopp wieder weg. »Na schön. Aber nur ganz kurz.«
»Es dauert so lange wie es dauert«, sagte Morell kryptisch und folgte dem Hausmeister.
»Sodala. Zufrieden?« Lechner zeigte auf die zwei Schneemobile, die am linken Rand der Garage, gleich neben dem Rettungsauto, geparkt waren. »Die Schlüssel sind in dem kleinen Kästchen an der Wand, falls Sie eine Spritztour unternehmen wollen. Kann ich jetzt bitte weiterputzen? Wenn ich nicht pünktlich fertig bin, krieg’ ich wieder Stress mit Schwester Helen.«
»Schwester Helen.« Morell durchquerte den Raum, der nach einer Mischung aus Benzin, Motoröl, Reifengummi und Abgasen roch, und inspizierte die Lichter der Schneemobile. »Ja, die ist wirklich eine ziemliche Krätze.«
»Wem sagen Sie das. Die Frau ist schlimmer als Impotenz im Gratispuff.« Lechner, der ihm gefolgt war, nestelte an seiner Brusttasche herum und holte seine Zigaretten heraus. »Da Sie mich ja eh schon in der Hand haben, ist es jetzt grad auch schon wurscht.« Er zündete sich eine an und sog den Rauch genüsslich in seine Lunge.
»Wie Sie meinen, es ist Ihre …« Mitten im Satz hielt Morell inne, denn er hatte gerade gefunden, wonach er gesucht hatte. Eine kaputte Scheinwerferabdeckung. Sicherheitshalber holte er die ›Schuppe‹ aus seiner Tasche und fügte sie ein. »Passt. Wie der Schuh auf Aschenputtels Fuß.«
Lechner blies eine Rauchwolke in die Luft. »Ach so, dann sind Sie also Prinz Charming und wollen jetzt das Schneemobil heiraten, oder wie?«
Morell ignorierte den dummen Witz einfach. »Wo sind diese Anhänger, von denen Sie vorhin gesprochen haben? Mit denen man normalerweise Verletzte transportiert.«
»Ackjas heißen die. Die sind gleich da hinten. Unter der grünen Plane.«
Morell zog die Plane schwungvoll weg, und sofort schlug ihm der beißende Geruch von Desinfektionsmittel entgegen. »Puh. Ganz schön intensiv.«
Lechner trat neben ihn und schnupperte. »Komisch. Ich habe die nicht
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