Neumond: Kriminalroman (German Edition)
Werte schaue.« Er lachte. »Da war sie bei meinem Herrn Sohn ja genau an der richtigen Adresse. Kann ich jetzt bitte?«
Morell gab die Tür frei und ließ Rainer in den Gastraum gehen.
›Woki mit deim Popo. Yeah, yeah so gfoit ma des‹,
dröhnte es ihm entgegen.
»Wissen Sie mehr über den Mann, den Jutta Zöbich heiraten wollte?«
»Nein, keine …« Rainer stoppte mitten im Satz. »Nicht! Bist du blöd?« Er rannte zur Bar, wo der deutsche Barkeeper gerade versuchte, das Bierfass an die Zapfanlage anzuschließen. »Willst du mich ruinieren?« Rainer schob ihn zur Seite und nestelte an den Anschlüssen herum.
»Ah, da bist du ja wieder. Du hast noch gar nicht deinen Klopfer getrunken.« Ein Kerl aus der Männerrunde packte Morell an der Schulter und hielt ihm ein kleines Fläschchen vor die Nase. »Auf ex oder nie mehr Sex!«, rief er.
Bei Morell setzte ein akuter Fluchtreflex ein. Er wand sich aus dem Griff, schlängelte sich so schnell wie möglich bis zur Ausgangstür und stolperte ins Freie.
»Lueg, üsr Fründ vo vorhär.« Das ältere Ehepaar, mit dem Morell im Lift gefahren war, kam angewedelt und bremste vor ihm ab. »Sali«, sagte der Mann zu ihm und deutete auf den Hexenkessel. »Isch guät do dinä?«
»Was auch immer Sie gerade gesagt haben, ich würde an Ihrer Stelle nicht da reingehen.« Er ließ die beiden stehen und machte sich auf den Weg zur Talstation.
57
»Das ist aber gemütlich hier.« Valerie, Nina und Leander waren hingerissen von der ›Alten Laterne‹, und auch Morell, dessen Füße mittlerweile wieder in trockenen Socken und Schuhen steckten, war sehr zufrieden mit seiner Idee, hier zu Mittag zu essen.
In der Landvogtstube, in der das Gourmet-Menü serviert wurde, traf urige Gemütlichkeit auf festliche Eleganz: Der Boden bestand aus schweren Holzdielen, an der Decke hing ein massiver Lüster, und in einem offenen Kamin prasselte ein Feuer und verbreitete wohlige Wärme. Eingerichtet war der Raum mit rustikalen Bauernmöbeln aus vergangenen Jahrhunderten.
»Bitte schön. Ihr Tisch ist schon bereit.« Eine junge Kellnerin mit einem fröhlichen sommersprossigen Gesicht führte die Gruppe an einen großen Tisch, der mit Kerzen, blütenweißen Stoffservietten und silbernen Untertellern dekoriert war.
Morell nahm auf einem bequemen Stuhl mit hoher Rückenlehne Platz und fühlte sich wie ein Kaiser. »Wenn das Essen nur halb so gut ist wie die Atmosphäre, dann bin ich wunschlos glücklich.«
Er wurde nicht enttäuscht: Das Menü, das ausschließlich aus traditionellen regionalen Gerichten bestand, war ein Traum, und die ausgesuchten österreichischen Weine, die dazu gereicht wurden, rundeten das Geschmackserlebnis ab.
»Unser letzter Gang ist ein Sig-Parfait auf Heidelbeerspiegel. Guten Appetit.« Die sommersprossige Kellnerin brachte vier liebevoll dekorierte Teller.
»Ich fühle mich schon jetzt wie ein Medizinball mit Armen und Beinen. Nach dem hier«, Nina zeigte auf das Dessert, »könnt ihr mich die Piste hinunterrollen. Sofern ich nicht vorher platze.«
»Wenn wir wirklich platzen, dann war es das wert, und zwar jeder einzelne Bissen.« Valerie schob sich genüsslich einen Löffel Parfait in den Mund.
»Fräulein.« Morell winkte die Kellnerin zu sich. »Was ist denn dieses Sig? Das schmeckt ja traumhaft.«
Sie lächelte. »Sig ist wirklich etwas ganz Feines. Ich verstehe nicht, warum er nicht populärer ist.«
»Ist da Schokolade drinnen?«
»Nein, Sig besteht aus Molke. Die wird bei hoher Hitze mehrere Stunden lang gerührt, bis der Milchzucker karamellisiert. Aber Sie liegen gar nicht so falsch. Farbe und Geschmack erinnern an Schokolade, darum wird er in der Schweiz auch Älpler- und in Vorarlberg Wälderschokolade genannt.«
»Sehr interessant.« Morell ließ sich noch ein Stück davon auf der Zunge zergehen. Was für ein wundervoller Mittag. Erst ein echtes Gourmet-Menü, und dann hatte er sogar noch eine neue Speise kennengelernt. Zufrieden streichelte er seinen Bauch und lächelte.
»Jetzt siehst du wie einer von diesen Glücksbuddhas aus.« Valerie gähnte.
»Ich weiß nicht, ob ich nachher noch Skifahren kann«, sagte Leander. »Ich falle gleich ins Fresskoma.«
»Mir geht es genauso«, antwortete Nina. »Ich würde mich auch am liebsten ins Bett legen und eine Runde dösen.«
›Na wunderbar‹, ärgerte Morell sich. Ausgerechnet heute Nachmittag, wo er noch im Sanatorium zu tun hatte, machten die anderen einen auf gemütlich.
Er verlangte nach
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