Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
Vom Netzwerk:
sicher.
    Und bald würde er es auch beweisen können. Erste Vorkehrungen hatte er bereits getroffen.

8
    »Klar, kein Problem! Natürlich kopiere ich die Unterlagen vom Skelettfund für Sie.« Oliver sprang auf und suchte unbeholfen ein paar Papiere zusammen. »Sind Sie wirklich ein echter Chefinspektor von der Mordkommission?« Er starrte Morell so ehrfurchtsvoll an, als hätte er es mit James Bond persönlich zu tun. »Und haben Sie viele spektakuläre Morde aufgeklärt? Ich schaue im Fernsehen ja immer CSI und Criminal Intent an, und dann gibt es da diese ganz neue Serie, …«
    »Ich bin tatsächlich Chefinspektor«, unterbrach Morell ihn. »Aber bei der Mordkommission arbeite ich schon seit einigen Jahren nicht mehr.« Er setzte sich auf einen Sessel und beobachtete, wie der Junge zu einem riesengroßen, vorsintflutlichen Kopiergerät ging, das gleich neben der Eingangstür stand. Anscheinend hatte das Ding keinen automatischen Einzug, denn Oliver hob den schweren Deckel hoch, legte vorsichtig eine einzelne Seite hinein und fing in Zeitlupe an, das Blatt geradezurücken. Zum Glück war die Akte nicht sehr umfangreich, dachte Morell, sonst würde diese Kopieraktion wahrscheinlich Wochen dauern. »Warst du dabei, als das Skelett geborgen wurde?«, fragte er.
    »Ja«, nickte Oliver geschäftig. »Das war ganz schön gruselig. Der Bunker liegt mitten im Wald, abseits der Wege. Wir mussten durchs Dickicht gehen und uns durch Stellen quälen, in denen die Bäume so dicht stehen, dass es sogar am helllichten Tag total dunkel war. Dabei musste ich die ganze Zeit an die Geschichten denken, die man sich über den Wald erzählt.«
    »Was erzählt man sich denn?« Morell hatte eigentlich erwartet, dass Oliver weiterkopierte, doch wie es schien, war sein Gegenüber kein Multitasker – er ließ die Blätter Blätter sein und konzentrierte sich ganz auf das Gespräch.
    »›So mancher, der da reingegangen ist, ist nimmer rausgekommen‹, erzählen die alten Menschen. Weil im Wald anscheinend Geister wohnen, die es nicht gut mit den Menschen meinen.«
    Oliver erzählte die Geschichte mit so viel Ernst, dass Morell nicht wusste, ob er sich gruseln oder einfach nur lachen sollte. »Das glaubst du nicht wirklich, oder?«
    Der Junge bekam hektische Flecken im Gesicht. »Nein«, stammelte er, »natürlich nicht.« Dann wandte er sich wieder zum Kopiergerät und widmete sich erneut der Ausrichtung des Blattes. »Aber man sollte auch nicht leichtfertig damit umgehen«, nuschelte er leise, schloss dann ganz langsam den Deckel und drückte auf einen großen roten Knopf.
    Das Kopiergerät war anscheinend genauso behäbig wie sein Bediener, denn das Licht, das das Originaldokument scannte, fuhr im Schneckentempo von links nach rechts und mindestens genauso langsam wieder zurück. Als die Kopie endlich in der Ausgabe erschien, nahm Oliver das Blatt und trug es zu seinem Schreibtisch. Dann ging er wieder zurück zum Kopierer, nahm die nächste Seite und führte mit ihr dieselbe langwierige Prozedur durch.
    Morell kämpfte gegen das Bedürfnis an, dem Jungen die Akte einfach aus der Hand zu reißen und die Arbeit selbst zu erledigen. ›Du hast keinen Stress‹, ermahnte er sich innerlich. ›Je dümmer Oliver sich anstellt, desto länger hast du einen Grund, nicht skifahren zu müssen.‹ Er hielt die Luft an, als Oliver das nächste Blatt so behutsam zu seinem Schreibtisch trug, als wäre es ein rohes Ei und schwor sich insgeheim, sich nie wieder über Bender zu ärgern. Der legte nämlich auch ab und zu die Flinkheit einer alten Schildkröte an den Tag, war aber im Vergleich zu Oliver ein wahrer Speedy Gonzales. »Dann erzähl doch mal weiter von der Bergung des Skeletts.«
    Oliver unterbrach das Kopieren erneut, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Wir sind dem Plan gefolgt, den die Teenager uns gemalt haben – warten Sie, den kopiere ich Ihnen auch schnell.« Er ging zu seinem Schreibtisch und holte eine Skizze aus einer Lade.
    ›Ich bin schneller, wenn ich die von Hand abzeichne‹, dachte Morell. »Und dann?«, sagte er stattdessen.
    »Dann haben wir irgendwann den Bunker gefunden und sind in das dunkle, modrige Loch gestiegen. Und da lag es dann.« Oliver schüttelte sich bei dem Gedanken daran.
    »Wo genau lag es?«
    »Direkt am Fuß der Leiter.«
    »Und dann? Habt ihr Fotos gemacht und Spuren gesichert?«
    »Hier.« Oliver reichte Morell vier völlig unterbelichtete Fotos, auf denen man die Lage des Skeletts

Weitere Kostenlose Bücher