Neumond: Kriminalroman (German Edition)
müssen Sie sich mehr einbringen.«
Danzer nickte dankbar. »Abgemacht.«
Oliver bestand darauf, Morell zum Hotel zu fahren, und so stieg der Chefinspektor 20 Minuten später aus dem Auto, ohne auch nur die geringste Chance gehabt zu haben, einen einzigen Satz von sich zu geben – dafür kannte er jetzt Olivers komplette Familiengeschichte.
»Auf Wiedersehen. Machen Sie’s gut und viel Glück mit dem Herrn Hölzel, der ist nämlich kein sehr netter Zeitgenosse. Letztes Jahr, da habe ich ihn einmal bei einer Routinekontrolle aufgehalten, weil ich nicht gewusst habe, wer er war, und dann …«
»Vielen Dank, Oliver. Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt.« Morell stieg aus dem Auto und schlug die Tür zu, bevor der Junge weiterquasseln konnte. Er schlängelte sich durch eine Horde Japaner, die ihre Skier lässig über die Schultern geworfen hatten, überquerte die Straße und blieb kurz vor dem repräsentativen Eingang des Hotels stehen. Auf einem roten Teppich stand ein weißbehandschuhter Page in Livree, der mit ernster Miene eine große, mit Goldornamenten verzierte Drehtür bewachte. Morell kam nicht weiter dazu, das Gebäude auf sich wirken zu lassen, da eine etwa 40 jährige Frau mit übergroßer Sonnenbrille und Pelzmantel sich unsanft an ihm vorbeidrängte und auf die Tür zusteuerte.
»Nerz!«, war das einzige, das Morell in diesem Augenblick in den Kopf schoss. Allein bei dem Gedanken an die schrecklichen Qualen, die die armen Tiere wegen ihres Fells hatten erleiden müssen, stieg Übelkeit in ihm auf. »Schweinerei«, murmelte er laut genug, dass die Frau ihn hören konnte. »Beziehungsweise nein«, fügte er noch hinzu. »Ein Schwein wäre zu solcher Grausamkeit niemals in der Lage. Elende Menscherei!« Wo waren denn die PETA -Sprüher, wenn man sie mal brauchte?
Pelz war einer der wenigen Gründe, die den Chefinspektor, der doch sonst so harmoniebedürftig war, alle guten Manieren über Bord werfen ließen. Er ignorierte die Blicke des Pagen, eilte zur Drehtür, verpasste ihr einen leichten Stoß und hoffte, dass dies die Nerzlady in ihren hochhackigen Schuhen zum Stolpern bringen würde. Doch die Dame, die anscheinend ihr ganzes Leben auf High Heels verbracht hatte, ließ sich davon in keinster Weise aus der Ruhe bringen. Ganz im Gegenteil. Erhaben wie eine Königin schritt sie in die Eingangshalle, die so groß war, dass der komplette Enzianhof locker hineingepasst hätte, während Morell durch die schnelle Drehung selbst aus dem Gleichgewicht kam und ungeschickt ins Foyer stolperte.
Die Nerzlady schenkte ihm einen pikierten Blick. »Da müssen Sie sich schon was Besseres einfallen lassen, Sie Trampel.« Sie schob ihre Sonnenbrille zurecht und stöckelte zum Empfangstresen.
Morell zog seine Jacke zurecht und versuchte, Haltung zu wahren. Er konnte die Blicke aller Anwesenden auf sich spüren und fühlte sich wie in einem dieser Träume, in denen man mitten auf der Straße realisiert, dass man keine Hose anhat. ›Dich kennt hier keiner‹, sagte er sich, holte tief Luft, streckte das Kinn in die Höhe, zog den Bauch ein und marschierte so würdevoll wie möglich zum Empfang.
Der Concierge zog eine Augenbraue hoch. »Ja bitte?«, sagte er in einem Tonfall, als würde er mit einer Nacktschnecke sprechen. »Sie wünschen?«
»Ich möchte zu Herrn Hölzel.« Morell sparte sich sämtliche Höflichkeitsfloskeln.
»Haben Sie einen Termin?«
»Den brauche ich nicht.« Er hielt dem Mann seine Marke unter die Nase.
»Und in welcher Angelegenheit sind Sie hier?«
»Das sage ich ihm dann selber.« Morell wurde ungeduldig. Er wollte raus aus dieser furchtbaren Lobby. Er deutete auf die Nerzlady, die gerade mit zwei anderen Gästen tuschelte. »Herr Hölzel will sicher nicht, dass alle Gäste mitkriegen, dass die Polizei im Haus ist.«
Dieses Argument schien dem Concierge einzuleuchten. »Ich werde sehen, ob er Zeit hat, Sie zu empfangen.« Er wählte eine Kurzwahlnummer. »Herr Direktor«, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand. »Da ist jemand von der Polizei, der gerne mit Ihnen sprechen möchte … nein, das will er mir nicht sagen … ja … nein … gut …« Er legte auf und wandte sich wieder an Morell. »Sie haben Glück, er kann sich ein paar Minuten freimachen. Bitte folgen Sie mir.«
Der Concierge führte ihn zu einer unscheinbaren Nebentür und lotste ihn ungeduldig hindurch. »Nun machen Sie schon«, drängte er und fuchtelte mit der Hand herum, so dass Morell sich
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