Neumond: Kriminalroman (German Edition)
die eine Brosche behalten. Die mochte sie nämlich besonders gern.« Er schaute auf die Brosche, die in einer durchsichtigen Tüte auf dem Tisch lag, und bekam einen Heulkrampf, der seinen ganzen Körper zum Beben brachte.
Danzer schob dem Verdächtigen vorsichtig ein Taschentuch über den Tisch. »Und das sollen wir Ihnen wirklich glauben?«, fragte Morell.
Rainer schnäuzte sich lautstark und nickte. »Als ich hörte, dass sie sich umgebracht hat, hab’ ich mich erstmal volllaufen lassen. Da ist mir dann die Idee mit dem Schmuck gekommen. Ich bin auch nicht stolz darauf. Aber ich war voll pleite, und es war so einfach. Ich wusste, dass sie im Blumenkübel vor der Eingangstür einen Ersatzschlüssel vergraben hatte …« Er wurde erneut von einem Heulkrampf durchgeschüttelt. »Immer hab’ ich sie gewarnt. Immer hab’ ich ihr gesagt, dass Einbrecher und Vergewaltiger dort als erstes nachschauen würden.«
»Mörder auch«, fügte Danzer hinzu.
»Wie auch immer«, fuhr Morell fort. »Ihr Alibi ist leider nicht besonders gut. Wir haben mit Ihren Stammgästen gesprochen, und leider kann keiner von denen sicher bezeugen, dass Sie wirklich die ganze Nacht im Hexenkessel waren. Die Aussagen von ein paar Betrunkenen werden vor keinem Gericht der Welt standhalten.«
Rainer kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. »Was ist mit meinem Vater? Der war auch die ganze Nacht dort, und der war nicht betrunken.«
Danzer und Morell tauschten vielsagende Blicke aus.
»Was?« Rainer sah verunsichert zwischen den beiden Polizisten hin und her.
»Ich sage es Ihnen ja nicht gern«, fing Morell an. »Aber Herr Inspektor Danzer hat vorhin mit Ihrem Vater telefoniert.«
»Und?« Man konnte an Rainers Miene sehen, dass ihm Schlimmes schwante. »Was hat er gesagt? Jetzt rücken Sie doch endlich mit der Sprache raus.«
Morell nickte Danzer zu.
Der griff nach einem Zettel und fing an vorzulesen: »Also … ähm … Das ist mir jetzt etwas unangenehm …«
»Machen Sie schon!«, fuhr Rainer ihn an. »Was hat der Alte gesagt?«
Danzer räusperte sich. »Ich habe keine Ahnung, wo der Saubeidl in der Nacht war«, las er vor. »Wahrscheinlich hat er wieder herumgehurt, sich volllaufen lassen oder dieses Weibsbild abgemurkst. Ich werde diesen Versager …«
Weiter kam er nicht, da Morell ihn stoppte. »Ich glaube, das reicht. Der Rest ist für den Fall nicht relevant.«
Rainer sprang so abrupt auf, dass der Stuhl, auf dem er gesessen war, mit einem lauten Scheppern zu Boden krachte.
Danzer zuckte zusammen und griff nach seiner Dienstwaffe.
Morell, der den Ausbruch schon hatte kommen sehen, blieb ruhig sitzen.
»Dieser elende Sausack, dieser verlogene!« Rainer schlug mit den Fäusten auf den Tisch. »Wahrscheinlich war
er
es! Er hat Sabine doch gehasst. Nachgestiegen ist er ihr, aber sie wollte ihn nicht. Sie wollte
mich
. Das hat er ihr nicht verziehen, dass sie mich, den dummen, unfähigen Sohn ihm, dem tollen Wirt vorgezogen hat. Seine einzige große Niederlage gegen mich. Überprüfen Sie lieber mal sein Alibi. Ich möchte hiermit offiziell aussagen, dass der Alte während der Tatzeit nicht im Hexenkessel war.«
»Aber Sie haben doch gerade eben erst …«, setzte Danzer an, doch Morell winkte ab.
»Ich glaube, wir kommen so nicht weiter. Warten wir lieber, bis Herr Rainer komplett ausgenüchtert ist und sich wieder beruhigt hat. In der Zwischenzeit können wir ja mal schauen, was Oliver herausgefunden hat.«
Sie ließen Rainer im Verhörzimmer sitzen und statteten Oliver, der im Empfangsraum saß und das Telefon hütete, einen Besuch ab.
»Hast du schon etwas über das Skelett herausfinden können?« Danzer musterte den penibel aufgeräumten Schreibtisch, auf dem keine Spur von Arbeit zu sehen war.
»Wegen Ihrer Hose«, fing Oliver an. »Ich habe mit meiner Tante Erika telefoniert. Sie wissen schon. Die, die beim ›Mode Frick‹ arbeitet. Gleich hinter der Kirche. Da wo früher mal eine Bäckerei drinnen war, die dann aber pleite gegangen ist. Jedenfalls habe ich mit ihr gesprochen. Weil ich weiß ja, dass das Ihre neue Lieblingshose ist, und die hat ja jetzt diesen argen Bierfleck, und Sie können auch nicht gleich nach Hause zum Wechseln und wollen sicher nicht den ganzen Tag wie ein Sandler riechen. Darum …«
»Jaja, das passt schon. Ich werde die Hose schon wieder irgendwie hinkriegen.« Danzer schielte nach unten.
»Sie können Rasierschaum auf den Fleck auftragen, einwirken lassen und dann einfach
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