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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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gleich mit.«
    Danzer griff nach den Handschellen und las Rainer seine Rechte vor. Als diesem endlich die ganze Tragweite der Situation bewusst wurde, sackte er in sich zusammen, fing an zu schluchzen und schüttete dann – völlig unvermittelt – dem armen Danzer das Bier, das er immer noch in der Hand hielt, auf die Hose.
    Morell, der heilfroh war, dass es nicht ihn erwischt hatte, trat unauffällig einen Schritt zur Seite und geleitete Danzer, samt dem plärrenden Rainer, anschließend durch den Gastraum in Richtung Auto.
    »Tut mir leid«, rief Morell Rainer Senior zu, der immer noch hinter der Theke stand und Bier zapfte. »Sie sollten ihm einen guten Anwalt besorgen.«
    »Nix werde ich machen«, raunzte der. »Den einzigen Anwalt, den ich besorgen werde, ist der, der den Laden dem Schorsch überschreibt.«

32
    Je länger sie darüber nachdachte, desto unheimlicher kam Nina die ganze Situation im Enzianhof vor. Was hatte das alles zu bedeuten? Wer malte komische Zeichen an die Tür eines Kindes? Und was hatte es mit diesem Tatzelwurm auf sich?
    Sie musste der Sache auf den Grund gehen. Alltägliche Verbrechen – gut und recht. Das war ihr Job. Daran war sie gewöhnt. Damit konnte sie umgehen. Aber ein Kind fast zu Tode zu ängstigen – so etwas konnte sie nicht ab. So etwas durfte nicht sein!
    Sie eilte in ihren schweren Skischuhen, an denen noch eine zentimeterdicke Schneeschicht haftete, durch das Hotel und hinterließ eine feuchte Matschspur in den Gängen. Andere Gäste grüßte sie nur flüchtig – sie hatte keine Zeit für Höflichkeiten. Sie musste schnell sein, bevor das Reinigungspersonal die Schmiererei entfernte. Warum war ihr denn nicht gleich aufgefallen, dass die Schrift viel zu hoch oben für Patrick war?
    Sie ignorierte das große Schild, das Unbefugten den Zutritt zum Privatbereich verbot, und stürmte zu Patricks Zimmer. »Glück gehabt«, murmelte sie, als sie sah, dass die Zeichen noch da waren.
    Als erstes schoss sie ein paar Fotos mit ihrem Handy. Danach putzte sie ihre Brille, stellte sich so nah an die Tür, dass ihre Nasenspitze sie beinahe berührte und betrachtete die Farbe: Sie war rötlich-braun, definitiv kein Filzstift oder Tuschemarker, sondern eher so etwas wie Wasserfarbe.
    Vorsichtig leckte sie über ihre Fingerspitze und rieb an der Farbe. Ja, eindeutig wasserlöslich. Sie betrachtete den rot-braunen Film auf ihrem Finger und roch daran. »Komisch«, murmelte sie, als nicht der leicht chemische Geruch, den sie eigentlich erwartet hatte, in ihre Nase stieg. Das hier roch nicht synthetisch, sondern eher wie eine weihnachtliche Duftmischung.
    Sie starrte ihren Finger an und runzelte die Stirn. Wie praktisch wäre jetzt das Spektrometer aus dem Labor gewesen. Damit hätte sie die Zusammensetzung der Farbe in null Komma nichts aufgeschlüsselt – so aber war sie auf ihre fünf Sinne angewiesen.
    Sie roch noch einmal und schloss die Augen. »Baumharz«, konstatierte sie. »Dazu irgendeine Zitrusfrucht und etwas, das wie Weihrauch riecht.« Was konnte das nur für eine Farbe sein? Sie schnupperte erneut und kam zu demselben Ergebnis: Harz, Zitrusfrucht, Weihrauch. Und dann war da noch eine Duftkomponente. Ganz subtil im Hintergrund.
    Fast hätte sie aufgelacht. Sie kam sich ganz schön blöd vor, wie sie hier, in voller Skimontur, Parfumeurin spielte und versuchte, die Zusammensetzung einer Farbe zu erkennen. Herumschnüffeln im wahrsten Sinne des Wortes.
    Was war das nur? Diese unterschwellige Note kam ihr so irrsinnig bekannt vor. Sie schnäuzte sich. Roch noch einmal. Sog die Luft durch die Nase, über den Gaumen bis in den Mundraum. Versuchte, nicht nur zu riechen, sondern auch zu schmecken. »Was bist du nur für eine Komponente?«, fragte sie leise. »Du bist ein bisschen bitter, etwas salzig, auf gar keinen Fall süß oder sauer … O nein!«
    Nina riss die Augen auf, starrte erst auf ihren Finger und dann auf die vollgeschmierte Tür. Der Geruch war eindeutig metallisch. Sie kannte ihn in- und auswendig, da sie jeden Tag damit zu tun hatte. Diesen Geruch würde sie unter tausend anderen herausriechen. Das war ohne Zweifel der Geruch von Blut.
    Reflexartig wischte sie ihren Finger an der Skihose ab. Das wurde ja immer grusliger.
    Der arme Patrick! Kein Wunder, dass der kleine Wicht ausgeflippt war. Wenn jemand blutige Zeichen an ihre Tür schmieren würde, würde sie wahrscheinlich noch viel heftiger reagieren.
    Aufgebracht stapfte sie zurück zu ihrem Zimmer.

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