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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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vom Schlitten oder war er über einen Ast gefahren? Er drehte den Kopf nach hinten, um zu sehen, ob irgendetwas auf der Piste lag, wobei er den Schlitten leicht nach rechts steuerte. Schnell zog er mit aller Kraft an der Schnur, um den Schlitten wieder auf eine gerade Spur zu bringen. Erst sah es so aus, als würde ihm das Manöver gelingen, doch dann war da wieder dieses Knacken. Direkt unter ihm. Es folgte ein unangenehmes Rütteln, und in derselben Sekunde, in der er realisierte, dass ihm gerade der Schlitten unter dem Hintern wegbrach, war es auch schon zu spät. Er hörte ein lautes Krachen, wurde nach rechts geschleudert, blieb an einer Wurzel hängen, überschlug sich einmal und knallte Kopf voran gegen einen Baum.
    »Das war’s dann wohl mit der Bestzeit«, waren seine letzten Gedanken, bevor ihm die Lichter ausgingen.

45
    »Was war das?« Patrick war durch ein Geräusch aus seinen wirren Träumen gerissen worden. War es schon so weit? Jetzt schon? Der Tatzelwurm hatte anscheinend keine Zeit zu verlieren.
    Er griff unter sein Kopfkissen und stellte erleichtert fest, dass sowohl die getrockneten Vogelbeeren als auch das Käsemesser noch da waren. Das Rätsel hatte er auswendig gelernt. Das konnte er im Schlaf aufsagen: »Was sieht aus wie eine Katze, miaut wie eine Katze, aber ist keine Katze?«, murmelte er leise.
    Er war gewappnet. Mit rasendem Puls und kaltem Schweiß auf der Stirn saß er auf seinem Bett und wartete. Aber nichts geschah. Kein Tatzelwurm kam ins Zimmer gestürmt, um sich einem Rätselduell zu stellen.
    Hatte er sich etwa getäuscht? Hatte etwa Mutter das Geräusch verursacht? Oder einer der Gäste? Nein, das konnte nicht sein. Die meisten Gäste waren beim Abendrodeln, und Mutter war unten im Keller und reinigte den Pool. Er sollte also allein sein. Aber das war er nicht. Er konnte es hören, konnte es fühlen. Irgendjemand oder irgendetwas war ganz in der Nähe.
    Er stand auf, nahm das Käsemesser und schlich zum Fenster. Hier hatte alles begonnen. Hier hatte er zu viel gesehen. Ach, wäre er in jener Nacht doch einfach im Bett geblieben …
    Zu spät. Jammern nutzte jetzt auch nichts mehr. Was geschehen war, war geschehen. Er schob die Vorhänge zur Seite und spähte nach draußen. Nichts.
    Vielleicht hatte er sich das Geräusch nur eingebildet. Er war immerhin ziemlich aufgewühlt. Wahrscheinlich war es so.
    Irgendwie war er enttäuscht. Wie gerne hätte er die ganze Sache endlich hinter sich gebracht. Er legte sich zurück ins Bett und horchte in die Dunkelheit hinein. Stille.
    Gerade als er kurz davor war, wieder einzuschlafen, hörte er erneut ein Geräusch. Er hatte sich also doch nicht getäuscht. Dieses Mal war es näher. Es kam vom Flur.
    Er schnappte sich die Vogelbeeren und das Käsemesser und schlich zur Tür. »Was sieht aus wie eine Katze, miaut wie eine Katze, aber ist keine Katze?«
    Er war bereit. Der Tatzelwurm konnte kommen!

46
    »Hallo? Alles okay mit Ihnen? Geht’s Ihnen gut?«
    Morell öffnete die Augen und schaute in das Gesicht einer Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte große braune Augen und einen breiten Mund. Mehr konnte er von ihr nicht sehen, da sie dick in eine flaschengrüne Mütze und den dazupassenden Schal eingemummt war. »Ähm … ja … ich denke schon.« Er fühlte sich orientierungslos. Wo war er? Ach ja, er hatte einen Unfall gehabt. War mit dem Schlitten gegen einen Baum gefahren. Wie lange lag er schon hier?
    »Tut Ihnen etwas weh? Glauben Sie, Sie können aufstehen?« Sie reichte ihm eine flaschengrüne Hand.
    Morell griff an seine Stirn, wo sich bereits eine dicke Beule bildete. »Autsch«, sagte er, griff nach ihrer Hand und zog sich hoch.
    »Glauben Sie, Sie können gehen? Wenn nicht, kann ich Hilfe holen. Das Ziel ist nicht weit, gleich hinter der Kurve. Maximal noch 300  Meter.«
    »Nein, es geht schon. Danke.« Er klopfte sich den Schnee von den Klamotten, zog seine Mütze zurecht und starrte auf den Schlitten, der völlig ramponiert neben ihm im Schnee lag. ›Maximal noch 300  Meter‹, dachte er. ›So lange hättest du grad auch noch aushalten können, du blödes Teil.‹ Er widerstand der Versuchung, in den kaputten Schlitten hineinzutreten, hob ihn auf, klemmte ihn sich unter den Arm und humpelte seiner Retterin hinterher.
    »Was für ein Glück, dass ich nicht so schnell unterwegs war und Sie darum dort unten habe liegen sehen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich Sie nicht gefunden hätte. Vor

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