Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
Vom Netzwerk:
allein. Jeder Schritt, den sie tat, war sinnlos, jedes Wort, das sie sprach, ebenfalls. Nichts zählte mehr in ihrem Leben, die Vergangenheit und alles Gute oder Schlechte daran war wie ausgelöscht. Das Hier und Jetzt war dunkel und kalt, und eine Zukunft gab es nicht mehr.
    »Wie du willst«, brummte ihr Vater. Er stand von seinem Stuhl auf, schaltete das Radio ein und goss sich etwas Kaffee nach.
    »… hat es wieder einen mysteriösen Überfall gegeben«, las der Nachrichtensprecher mit monotoner Stimme. »Eine Anwohnerin der hiesigen Containersiedlung wurde tot auf dem Gelände gefunden. Der Körper der Zweiunddreißigjährigen wies unzählige Bisswunden auf.«
    Jolin raste ein Schauer über den Rücken. Die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, und ihre Tasse, die sie sich gerade an die Lippen setzen wollte, glitt ihr fast aus der Hand. Zum Glück hatte Gunnar ihr den Rücken zugewandt, da er in diesem Moment die Kaffeekanne in die Maschine zurückstellte. Jolin tauchte ihren Teelöffel in die heiße Milch und rührte einmal um, bevor sie etwas von der weißen Flüssigkeit hineinlaufen ließ.
    »Die ermittelnden Behörden gehen inzwischen nicht mehr davon aus, dass es sich um ein Tier handelt, das seit dem Herbst des vergangenen Jahres in dieser Gegend sein Unwesen treibt«, fuhr der Nachrichtensprecher fort. »An der Kleidung der Frau wurde keine DNA gefunden. ›Fast könnte man meinen, dass sie von einem Roboter so zugerichtet worden ist‹, sagte der ermittelnde Staatsanwalt heute früh in einer eilig anberaumten Pressekonferenz.«
    Der Teelöffel in Jolins Hand zitterte. Und diesmal entging es Gunnar nicht. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Klar.« Hastig schob Jolin den Löffel in den Mund und schlürfte die Milch herunter. Sie vermied es, ihren Vater anzusehen. »Ich bin bloß ein bisschen müde.«
    »Und ich dachte schon, es hätte mit den Nachrichten zu tun«, erwiderte Gunnar. Sein Blick drohte Löcher in ihre Stirn zu bohren, und Jolin überlegte fieberhaft, wie sie reagieren sollte. Überrascht tun, abwiegeln … all das war auf jeden Fall die falsche Strategie. Also versuchte sie es mit ihrem altbewährten, wenn auch nicht immer geschätzten Sarkasmus.
    »Ja, was glaubst du wohl, warum ich so müde bin? Nicht Rouben ist der Psychopath, sondern ich bin das. Ich weiß sogar, wie man eine DNA-Spur verwischt. Wenn ich jemanden totbeiße, trage ich einfach eine zweite Haut. Aus Latex.«
    Im Gesicht ihres Vaters zuckte es. Jolin war klar, dass sie es zu weit getrieben hatte, aber nur so konnte sie verbergen, wie es tatsächlich in ihr aussah. Gunnar durfte auf keinen Fall merken, wie aufgewühlt sie war.
    Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, dann leerte sie rasch ihre Tasse und erhob sich.
    »Warte«, sagte Gunnar. Er umfasste ihr Handgelenk und sah sie bittend an. »Mach es uns doch nicht so schwer. Paula und ich wissen, dass etwas mit dir, mit euch beiden, ganz und gar nicht in Ordnung ist. Wir sind deine Eltern, wir hatten immer einen guten Draht zueinander, wir spüren einfach, dass das, was sich zwischen euch abspielt, über das normale Maß hinausgeht.«
    »Ach ja!« Jetzt wurde Jolin wirklich wütend. »Was ist denn das? Das normale Maß? Ist es ein Fehler, wenn man nicht darunter fällt? Ist man dann gleich etwas Ungewöhnliches, Bedauernswertes oder gar Bedrohliches?«
    Ihr Vater lockerte seinen Griff. »Wir haben einfach nur Angst, dass du deine Persönlichkeit aufgibst … für …«
    »… jemanden wie Rouben?«, fragte sie scharf.
    »Er hat ein sehr einnehmendes Wesen.«
    »Ja, sogar du fandest ihn charmant«, erwiderte Jolin. »Bereust du es inzwischen?«
    Gunnar sah ihr in die Augen. »Ich würde gerne mal mit ihm reden. Aber er ist ja nie da.«
    »Das liegt in der Natur der Sache, wenn man sich getrennt hat.«
    »Ich rede nicht von hier, sondern von seinem Haus. Oder hat er das inzwischen ebenfalls aufgegeben?«
    »Woher soll ich das wissen?«, fauchte Jolin. Ruckartig wandte sie sich ab und lief in den Flur hinüber. Sie nahm die Jeansjacke von der Garderobe und griff nach ihren Halbstiefeln.
    »Ich glaube nicht, dass ihr euch wirklich getrennt habt«, rief Gunnar aus der Küche.
    Jolin presste die Lippen aufeinander. Glaub doch, was du willst, dachte sie. Es war echt ein starkes Stück, dass er einfach zu Roubens Haus gefahren war und versucht hatte, hinter ihrem Rücken mit ihm zu reden. Während sie in ihre Stiefel schlüpfte, spielten sich Filmszenen vor

Weitere Kostenlose Bücher