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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Splitter durch die Luft fliegen zu sehen –, der andere taumelte zurück, krachte gegen die Wand vor der Treppe und sank in sich zusammen.
    Jolin wollte aufstehen, aber da wurde sie schon wieder gepackt, nachlässig in die Decke gehüllt und hochgehoben. Sie wollte sich dagegen wehren, dass er sie forttrug, doch in den wenigen Sekundenbruchteilen, in denen sie durch die Luft flog und ihre Blicke sich trafen, wusste sie, dass alles gut und richtig war. Dann lag Jolin bereits über seiner Schulter, und obwohl ihr klar war, dass Vincent jeden Augenblick aus seiner Ohnmacht erwachen konnte, vermochte sie sich keinen schöneren Ort vorzustellen als diesen. Sie schlang ihre Arme um seinen kalten Leib, vergrub die Nase in seinem Pulli und gab sich seinen Bewegungen hin.
    Rouben trat so heftig gegen die Tür, dass sie aus den Angeln gerissen wurde, und stürzte mir ihr aus dem Haus. Jolin spürte das kraftvolle Spiel seiner Muskeln unter ihren Händen, und obwohl alles – Pflasterweg, Zaun, Kies, Waldboden, Bäume – in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit an ihr vorüberflog, waren weder Roubens Schritte noch das Keuchen seines Atems zu hören. Es war auf eine gespenstische Art und Weise still um sie herum.
    Nach einer Weile lockerte Jolin ihren Griff und richtete sich auf, selber erstaunt darüber, wie leicht es ihr fiel. Sie stützte sich auf Roubens Schulter ab, schlang einen Arm um seinen Hals, legte sich dabei ein wenig zur Seite, damit sie ihm mit ihrem Körper nicht die Sicht versperrte, und strich mit der Nasenspitze durch sein geruchloses Haar.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
    Rouben lachte leise, und das war das schönste Geschenk, das er ihr in diesem Augenblick machen konnte.
    »Findest du wirklich, dass wir gehen ?«
    »Nein.« Jolin lachte ebenfalls. »Ich korrigiere: Wohin rennen wir?«
    »Wir?«
    »Okay. Wohin rennst du mit mir?«
    Rouben ließ sich Zeit mit seiner Antwort, und Jolin befürchtete schon, dass seine Stimmung wieder umgeschlagen war.
    »Vertraust du mir noch …?«, fragte er schließlich rau.
    Jolin schlang die Arme noch fester um seinen Hals. »Wem, wenn nicht dir?«, erwiderte sie leise.
    Der Himmel über ihnen verdunkelte sich allmählich, nur zum Horizont hin schimmerte noch ein heller orangeroter Streifen zwischen den Zweigen der Bäume hindurch.
    »Wir müssen uns beeilen«, wisperte Rouben.
    Jolin legte ihren Kopf in den Nacken und kicherte in sich hinein. »Das sagst du mir?«
    »Nein, eigentlich habe ich es mehr zu mir selbst gesagt«, brummte er, und jetzt klang er tatsächlich wieder ziemlich ernst.
    »Glaubst du, dass er uns verfolgt?«, fragte Jolin.
    »Allerdings.«
    »Aber warum sollte er das tun?«, entgegnete sie. »Die neue Prophezeiung besagt etwas völlig anderes.«
    Rouben lachte gequält auf. »Die neue Prophezeiung! Jolin, woher willst du wissen, dass es die gibt?«
    »Ramalia hat sie mir gezeigt.«
    »Ramalia … Ramalia …« Er schüttelte den Kopf, während er sich in einem Höllentempo seinen Weg durch eng beieinanderstehende Bäume schlug, über Stümpfe, Farnbüschel und kleine Tümpel sprang und schließlich auf eine Lichtung zuhielt.
    Jolin hörte Stimmen und wandte den Kopf. Vor dem rötlichen Schein der untergehenden Sonne und den Konturen der Stadt in der Ferne richtete sich ein Heißluftballon auf. Er war leuchtend rot wie eine zweite Abendsonne und viel größer, als Jolin sich ein solches Ding immer vorgestellt hatte.
    »Was hast du vor?«, raunte sie.
    »Dreimal darfst du raten«, sagte Rouben, und diesmal breitete sich ein geradezu spitzbübisches Lächeln auf seinen Lippen aus. Jolin blieb nicht mal die Zeit, auch nur eine einzige Vermutung auszusprechen, da hatte er sie bereits in den Korb gehievt.
    Die Leute, drei Männer und zwei Frauen in warmer Sportkleidung, die den Ballon aufgerüstet hatten, schrien empört auf, doch Rouben stieß zwei der Männer einfach beiseite und riss die Taue aus den Verankerungen, als durchtrennte er Bindfäden.
    Der Ballon hob sich langsam empor, Jolin hörte über sich das Rauschen des Brenners, der kühle Wind spielte in ihren Haaren, und unter ihr baumelte Rouben an einem der Seile hin und her.
    »Dies ist ein Notfall! Ich bringe euch den Ballon zurück!«, schrie er den Leuten auf der Lichtung zu, die nun alle durcheinanderriefen und zornig die Fäuste reckten.
    Jolin sah zum Waldrand hinüber und bemerkte eine Gestalt, die sich aus dem Dunkel der Bäume löste und in rasender Geschwindigkeit auf sie

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