Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
bessere Idee«, meinte er.
»Und die wäre?«
»Das erkläre ich dir, wenn wir dort sind.«
»Wenn wir wo sind?«
»Das wirst du schon sehen.«
Jolin öffnete den Mund, um ihren Missmut zu äußern, da erstarrte Rouben plötzlich. »Edmond«, krächzte er und schlug sich vor die Stirn.
Jolin schüttelte den Kopf. »Dein Fahrer? Was ist mit ihm?«
»Das frage ich mich auch.«
»Oh Gott!« Jolin stockte der Atem. »Du denkst doch nicht, dass er …?«
»Ramalia hat einen Vampir aus ihm gemacht. Und zwar mit einem einzigen Biss.«
»Aber er war doch nicht bösartig«, wandte Jolin sofort ein. »Okay, er sah nicht besonders freundlich aus, aber …«
Wieder fiel Rouben ihr ins Wort.
»Mach dir nichts vor«, sagte er. »Es gibt keine freundlichen Blutsauger. Sie denken alle immer nur an das eine.«
»Deine Mutter nicht«, widersprach Jolin sofort. »Ramalia hat mich beschützt.«
»Ja, aber nur, weil sie ein Ziel hatte.«
»Und Edmond?«, fragte Jolin, und als Rouben nicht gleich antwortete, setzte sie hinzu: »Er hat mich jedenfalls nicht angerührt, obwohl er die Gelegenheit dazu gehabt hätte.«
»Das hätte er nicht gewagt«, sagte Rouben. »Ramalia hätte ihn in Stücke gerissen.«
»Ich halte deine Theorie mit dem durchgedrehten Antiquar trotzdem für wahrscheinlicher«, entgegnete Jolin.
Rouben nickte. »Wenn mir nur einfiele, in welchem Jahr meine Mutter Edmond verwandelt hat«, murmelte er, während er den Alfa ein wenig abbremste, den Blinker setzte und in eine holperige Nebenstraße abbog. »Ich glaube, ich war fünfzehn oder sechzehn …«
»Dann lebt er wieder in der Zeit von vor zwei oder drei Jahren«, ergänzte Jolin voller Überzeugung. »Und er hat überhaupt keinen Grund, in unsere Zeit zurückzukommen.«
»Das hoffe ich«, sagte Rouben und beschleunigte wieder.
Jolin richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Mehrstöckige Häuser, überfüllte Mülltonnen und rostige, zerbeulte Autos bestimmten nun das Straßenbild. »Irgendwo hier hab ich mal gewohnt«, murmelte sie.
»Ich weiß«, sagte Rouben.
Jolin sah ihn an. »Willst du etwa in die Containersiedlung?«
»Jep.«
»Und warum?« Sie sah ihn von der Seite an und registrierte mit Erleichterung, dass er lächelte.
»Das wirst du schon sehen«, sagte er sanft.
Rouben stellte den Wagen auf einem Parkplatz ab, nur wenige Schritte von Jolins altem Wohnhaus entfernt. Nachdem die Autotür ins Schloss gefallen war, ließ sie ihren Blick über den grauen zehnstöckigen Kasten gleiten, und ein beklemmendes Gefühl breitete sich in ihr aus. »Ich bin froh, dass meine Eltern hier nicht mehr leben müssen.«
»Ich wette, deine Eltern werden auch in ihrer jetzigen Wohnung nicht mehr lange bleiben«, sagte Rouben. »Sobald du ausgezogen bist, werden sie sich was Neues suchen.«
Jolin sah ihn überrascht an. »Woher weißt du das?«
»Deine Mutter hat es mir gesagt …«
»Paula?«
»Gunnar weiß allerdings noch nichts davon«, beeilte Rouben sich hinzuzufügen. »Du solltest es also besser noch eine Weile für dich behalten.«
Jolin schüttelte fassungslos den Kopf. »Ma schmiedet Zukunftspläne über den Kopf meines Vaters hinweg, und mir versucht sie einzureden, dass ich einen Fehler mache, wenn ich mit dir zusammenziehe.«
»Das tut sie nicht«, widersprach Rouben. »Und jetzt komm.« Zögernd ergriff er ihre Hand und zog sie auf den Mülltonnenunterstand am Ende des Parkplatzes zu, wo zwei Jungen abwechselnd einen ausgeleierten Fußball gegen ein Garagentor schossen. »Es ist ihre Art, Abschied zu nehmen.«
»Na, du kennst sie ja gut«, sagte Jolin.
Rouben zuckte die Achseln. »Ich hatte die eine oder andere Gelegenheit, mich mit ihr zu unterhalten. Sie war immer sehr offen.« In seinen Augen blitzte es. »Ich glaube, sie mag mich.«
»Und du sie auch …«
»Sie ist deine Mutter, Jol. Sie ist klug, sensibel, macht einen tollen Job. Außerdem sieht sie super aus«, fügte er zwinkernd hinzu. »Fast so schön wie du.«
Sie sahen sich an, und Jolin spürte, dass sie errötete. Wie einfach und vor allem – wie wunderbar! – wäre es gewesen, wenn er sie jetzt einfach in den Arm genommen und geküsst hätte. Es war ja schließlich nicht so, dass sie jedes Mal ohnmächtig wurde.
»Das auf dem Friedhof ist doch bloß passiert, weil du mich so angeschaut hast«, stammelte sie. »So anders als jetzt … ohne diese Grenze in deinem Kopf …« Sie kniff die Mundwinkel ein. »Ach, ich weiß auch nicht.«
»Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher