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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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warme Blut, das durch ihren Körper pulsiert.
    Manchmal glaube ich bereits, es schmecken zu können, und dann spüre ich, wie es meine Mundhöhle füllt, mir den Rachen hinunterläuft und den brennenden Durst in meiner Kehle stillt.
    Ich weiß, ich würde die Beherrschung verlieren. Denn noch weniger als ich geübt war, ein Mensch zu sein, bin ich mit dem Wesen des Vampirs vertraut, der nun allmählich in mir erwacht.
    Vincent hat Hunderte von Jahren nichts anderes getan, als Menschen zu töten oder sie in seinesgleichen zu verwandeln.
    Er ist in der Lage, seinen Durst zu zügeln, sein Verlangen auszukosten und das Leid, das er anderen zufügt, in vollen Zügen zu genießen.
    Ich kenne niemanden, der verabscheuungswürdiger ist, und ich möchte niemals so werden wie er.
    Doch je tiefer sein Gift in mich eindringt, desto ähnlicher werde ich ihm. Ich bin stark und schnell, meine Finger haften an Baumrinden und Mauersteinen, und all das kostet mich nicht die geringste Anstrengung. Im Gegenteil, mein Herz schlägt höchstens zwei- oder dreimal in der Minute, und ich benötige nur noch wenige Atemzüge, um meinen Körper mit Sauerstoff zu versorgen.
    Meine Haut ist kalt und gefühllos. Ich kann mich kaum noch erinnern, wie es ist, wenn Jolins warme Hände mich berühren, und dennoch ist meine Liebe zu ihr nie größer gewesen.
    Vincent scheint diesen Widerstreit der Gefühle in mir zu wittern. Er ernährt sich von meinem Blut und meiner Qual, und er lauert auf seine Chance. Inzwischen glaube ich zu wissen, was er vorhat. Und ich bin sicher, dass er damit nicht bis zur nächsten Neumondnacht warten wird.
    Jolin wusste nicht, wie lange sie am Ende des Kellergangs gestanden und auf die Stelle gestarrt hatte, wo er eben noch gestanden hatte. Sie hatte ihm ins Gesicht gesehen, ein Gesicht, das seinem Bruder auf erschreckende Weise ähnelte. Seine Augen dunkel, sein Blick gierig und seine wunderschönen Lippen wütend zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    Sie hatte den Arm gehoben, der kühle Stoff seiner Jacke hatte sogar noch ihre Fingerspitzen gestreift, doch im selben Augenblick hatte er sich abgewandt und war davongehuscht.
    Jolin hatte gespürt, wie sich die Luft um sie herum allmählich erwärmte und die Eisschicht auf ihrer Jeans sich langsam in Feuchtigkeit verwandelte und sich klamm an ihre Haut schmiegte, aber sie war nicht in der Lage gewesen, einen einzigen Schritt zu tun.
    Erst als das Licht ansprang und jemand sie ansprach, erwachte sie aus ihrer Trance.
    »Fräulein Johansson? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Es war der alte Herr, der auf der linken Seite im ersten Stock wohnte. Jolin hatte ihn bisher nur einige wenige Male gesehen und wunderte sich, dass er ihren Namen kannte.
    »Ähm … ja … ja …«, stammelte sie. »Das Licht funktionierte nicht, und ich wollte gerade …« Sie brach ab und zwang sich zu einem Lächeln. »Ach, ich weiß auch nicht.«
    »Ja, das Licht.« Der alte Herr nickte verständnisvoll. Er stand mitten in der Kellertür und hatte seine Hand auf den Knauf gelegt. »Es ist wirklich ein Kreuz mit der Anlage in diesem Haus. Den Eigentümer kümmert es offenbar nicht. Man müsste sich zusammenschließen und eine Beschwerde einreichen. Schriftlich. Das würde vielleicht etwas nützen.«
    »Ja«, sagte Jolin. »Ich werde mit meinen Eltern reden. Ich glaube, ihnen ist es noch gar nicht aufgefallen.«
    »Die Phasen sind einfach zu kurz«, sagte der alte Herr. »Für Menschen in meinem Alter ist es kaum zu schaffen, vom Keller in die Wohnung zu gelangen. Aber Sie sind ja noch jung, nicht wahr?«, fügte er zögernd hinzu, während er Jolin von oben bis unten musterte. »Sie sollten sich besser etwas Trockenes anziehen, sonst erkälten Sie sich noch.«
    »Ja«, sagte Jolin.
    Sie drückte sich an ihm vorbei ins Treppenhaus und rannte so schnell sie konnte in die Wohnung hinauf, schlug die Tür hinter sich zu und stürzte in ihr Zimmer, wo sie wie angewachsen vor ihrem Bett stehen blieb.
    Eigentlich hätte sie sich darin vergraben, auf ihre Kissen einschlagen, in die Bettdecke krallen und schreien mögen, doch sie fühlte sich einfach nur kalt und leer, so, als ob sie innerlich erfroren wäre.
    Die äußere Ähnlichkeit der Halbbrüder war frappierend, schon damals hatte Jolin Vincent im ersten Moment ihrer Begegnung für Rouben gehalten, und heute war ihr das wieder passiert.
    Beide hatten die Schönheit ihrer Mutter geerbt, doch auf beiden lastete auch ihr Schatten. Als Zwielicht

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