Neun Tage Koenigin
Inschrift schenken sollen?“
„Vielleicht hat Guildford sie ja geliebt“, wandte Stacy ein, nachdem sie kurz überlegt hatte. „Vielleicht hat davon niemand etwas gewusst, weil er heimlich in sie verliebt war.“
„Aber warum hätte es geheim bleiben sollen? Er hat sie ja schließlich geheiratet. Und wenn er ihr diesen Ring geschenkt hat, dann wäre es nicht geheim gewesen.“
Wir standen alle drei da und schauten auf den Ring in meiner Hand.
„Wenn Guildford ihr den Ring geschenkt hat, weil er sie liebte, wieso ist er dann im Einband eines Gebetbuches gelandet?“, überlegte ich, ohne darauf wirklich eine Antwort zu erwarten.
„Genau das meine ich doch.“ Wilson verschränkte die Arme über seiner grell gemusterten Hemdbrust. „Wenn der Ring wirklich Lady Jane Grey gehört hat und sie ihn von Guildford Dudley geschenkt bekommen hat, dann hätte er doch bei ihrer Verhaftung noch in ihrem Besitz sein müssen. Wenn man ihr damals den Schmuck abgenommen hat, dann müsste doch auch der Ring darunter gewesen sein.“
„Aber vielleicht haben sie ihr den Ring ja auch gelassen, weil er ihr persönliches Eigentum war und nicht Teil der Kronjuwelen“, schlug Stacy vor. „Hey, vielleicht … vielleicht hat sie ihn ja am Tag ihrer Hinrichtung getragen und einer der Totengräber hat ihn an sich genommen.“
„Und wie ist er dann in einem Gebetbuch gelandet?“, wollte Wilson wissen.
„Und vor allem, warum?“, fügte ich hinzu und legte den Ring wieder zurück auf den Tisch.
„Sehen Sie, das sind alles Dinge, die man nie erfahren wird.“ Wilson trank einen Schluck Kaffee.
„Ich wünschte immer noch, es wäre ihr Ring gewesen. Was für eine traurige Geschichte. Ich würde gerne glauben, dass es jemanden gegeben hat, von dem sie geliebt wurde“, murmelte Stacy.
„Nun, Sie können ja glauben, was Sie wollen, nur beweisen können Sie es nicht.“ Wilson trat von dem Tisch zurück.
„Es ist ihrer.“ Die Worte kamen mir fast wie von selbst über die Lippen und überraschten mich selbst. Und in dem Moment, in dem ich entschied, dass es Jane Greys Ring war, glaubte ich es auch.
„Aber Sie können es nicht mit Sicherheit wissen“, entgegnete Wilson darauf rasch.
„Es geht nicht darum, was ich weiß. Ich habe einfach … so eine Ahnung. Mein Bauchgefühl sagt es mir.“
„Ich glaube es auch!“, pflichtete Stacy mir bei. Aber ich war ziemlich sicher, dass sie es glaubte, weil es eine tolle Geschichte war. Bei mir war das etwas anderes. Ich konnte nicht benennen, inwiefern es anders war, aber ich wusste, dass es nichts mit dem Wunsch zu tun hatte, die Einzelheiten von Janes traurigem Schicksal ein bisschen aufzuhübschen.
Wilson verließ den Raum. Aber jedoch nicht, ohne Stacy und mich dabei zu belehren, dass Ahnungen und Bauchgefühle nur bei der Polizeiarbeit und bei Pferderennen eine Rolle spielten.
„Was werden Sie jetzt tun?“, erkundigte sich Stacy.
Ich schob mir den Ring auf den kleinen Finger. „Irgendjemand irgendwo muss mehr über Jane Grey wissen als Leute, die Artikel fürs Internet verfassen, und genau diesen Jemand muss ich ausfindig machen.“
„Ich helfe Ihnen. Ich kann an der Uni nachfragen. Vielleicht kennt jemand in der Geschichtsfakultät irgendwo einen Experten. Oder vielleicht gibt es in der Bibliothek oder einer Buchhandlung ein Werk darüber.“
„Das habe ich schon recherchiert!“, rief Wilson uns zu, der im Türrahmen stand. „Es gibt kein einziges wissenschaftliches Buch über das Privatleben von Jane Grey. Es sind alles nur Spekulationen von Laien.“
Stacy drehte sich zu ihm um. „Muss es denn unbedingt ein wissenschaftliches Buch sein?“
„Wenn Sie wirklich Gewissheit haben wollen, dann schon.“
„Aber es ist doch so“, sagte Stacy, „dass Janes Privatleben und ihr öffentliches Leben ein und dasselbe war.“
„Es gibt nichts Wissenschaftliches .“ Wilson betonte die Worte noch einmal extrastark. „Es besteht ein Riesenunterschied zwischen einer Vermutung und einer Tatsache, Jane.“
Wilson schlurfte davon, um die Bodenbeleuchtung auszuschalten, die wir nachts immer anließen. Es war inzwischen fast Zeit, den Laden zu öffnen.
„Lassen Sie sich dadurch nicht den Tag verderben, Wilson“, meinte ich, als mein Handy in meiner Tasche zu vibrieren begann und ich danach griff.
„Lassen Sie sich Ihren nicht verderben!“, rief er mir noch über die Schulter zu.
Ich schaute auf das Display meines Handys. Es war Connor.
Endlich rief er
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