Neun Tage Koenigin
Sekundärquellen einen einzigen Hinweis darauf gefunden, der besagt oder belegt, wen sie geliebt hat. Wenn es denn überhaupt jemanden gegeben hat. Und dann ist da dieser Aspekt, dass der Ring wer weiß wie lange in einem Gebetbuch versteckt war. Wenn er ihr gehört hat, wie konnte er dann in einem Gebetbuch landen und in Vergessenheit geraten?“ Claire gab mir den Ring zurück. „Es wäre schön, wenn er sprechen könnte.“
Ich nahm den Ring und strich über die Steine. „Als Sie ihn in der Hand hatten, haben Sie da gedacht, dass er vielleicht wirklich Jane Grey gehört haben könnte?“
Claire spielte am Henkel ihrer Teetasse herum. „Nein“, sagte sie dann. „Das kann ich nicht behaupten.“
„Bei mir ist das aber so. Jedes Mal, wenn ich den Ring anfasse, fühlt er sich an, als sei er ihr Ring.“
„Nun, dann würde ich an Ihrer Stelle aufhören, Experten wie mich nach ihrer Meinung zu fragen, und einfach davon ausgehen, dass es ihrer war.“ Wieder lächelte sie. Es war ein freundliches Lächeln, keines, das signalisierte, dass sie sich über mich lustig machte.
„Sie finden nicht, dass es … albern ist, so etwas zu glauben, oder?“
„Es ist doch völlig egal, was ich finde, oder? Es ist jetzt Ihr Ring. Und Ihr Name ist eingraviert. Aber Sie sollten ihn vielleicht lieber in Ihrem Laden nicht als Lady Jane Greys Ring verkaufen. Dann könnten Sie durchaus auf den Titelseiten englischer Boulevardblätter landen.“
Sie lachte leise, und ich stimmte ein.
„Ich verkaufe ihn gar nicht“, sagte ich und steckte mir den Ring an den kleinen Finger.
„Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht tun. Außerdem sollte der Ring ja vielleicht bei Ihnen landen.“
Ich blickte auf und sah sie an. „Sie meinen, ich sollte ihn bekommen?“
Claire zuckte einmal mit den Schultern. „Ich glaube nicht an Zufälle. Es scheint nicht so, dass Ihnen der Ring ganz zufällig in die Hände gefallen ist und dass Sie dabei ganz ohne Grund so empfinden, wie Sie es tun.“ Sie trank noch einen Schluck Tee. „Glauben Sie denn, dass es reiner Zufall war?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich auch nicht.“
Ein paar Minuten verstrichen, ohne dass eine von uns etwas sagte.
„Ich frage mich, ob sie überhaupt jemals glücklich war“, meinte ich dann. „Sie konnte nie irgendetwas selbst entscheiden. Sie war nur ein Faustpfand. Für jeden.“
Claire stellte vorsichtig ihre Teetasse wieder ab und sagte: „Da kann ich Ihnen nur halb recht geben. Jane Grey wurde wirklich von Leuten wie John Dudley, dem Herzog von Northumberland, und sogar von ihren eigenen Eltern instrumentalisiert, aber sie hat auch viele Entscheidungen ganz eigenständig getroffen, nur wird ihr das leider viel zu wenig angerechnet.“
„Da kann ich Ihnen nicht so recht folgen. Sie wurde gezwungen, einen Mann zu heiraten, den sie wahrscheinlich nicht liebte, sie wurde gezwungen, eine Krone zu akzeptieren, die sie nicht wollte, und dann wurde sie deswegen auch noch hingerichtet.“
Claire verschränkte die Arme vor sich auf dem Schreibtisch. „Ja, sie hat einen Mann geheiratet, den sie wahrscheinlich kaum kannte, doch mit der Möglichkeit eines solchen Dilemmas waren damals alle adligen Mädchen konfrontiert. Wenn man aber genauer überlegt – sie hätte ja auch vor der Hochzeit davonlaufen können. Sie hätte sich verkleiden und davonlaufen können. Und wenn sie, wie Sie vermuten, jemanden geliebt hat, dann hätte sie auch zusammen mit dieser Person fliehen könne. Die beiden hätten irgendwo in die Wildnis im Norden flüchten und als Liebende ein einfaches Leben führen können. Das wäre natürlich unverantwortlich und skandalös gewesen, aber sie hätte es trotzdem tun können. Stattdessen entschied sie sich, zu bleiben und ihre Pflicht zu erfüllen.“
Dazu fiel mir nichts ein.
„Und ja, sie hatte nicht den Wunsch, Königin zu werden“, fuhr Claire fort, „und zunächst hat sie die Krone ja auch abgelehnt. Aber die Männer, die sie und nicht Maria auf dem Thron sehen wollten, überzeugten sie davon, die Krone anzunehmen, und sie tat es. Sie hätte sich auch weiter weigern können. Doch sie war wirklich überzeugt, sie könnte etwas Gutes für ihr Land tun. Das war zwar naiv, aber es war ihre Entscheidung.
Und als Maria ihren Beichtvater John Feckenham immer wieder zu Jane in den Tower schickte, damit er sie doch noch davon überzeugte, zum Katholizismus zu konvertieren, da hat sie sich nicht gebeugt.
Guildford ist am Ende
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