Neun Tage Koenigin
fügte ich nicht hinzu: „… und ihre ,Sie lebten glücklich bis an ihr seliges Ende‘-Ausgänge.“
Ich sagte ihm nicht, dass ich für Anfang Oktober einen Flug nach Nova Scotia gebucht hatte, und auch nicht, dass ich mit dem Kanu unterwegs gewesen war und gelernt hatte, mit dem Paddel umzugehen, eine Angel auszuwerfen und einen Fisch vom Haken loszumachen. Und auch nicht, dass ich beim dritten Kanuausflug auf dem See wahrgenommen hatte, dass tiefes Wasser von einem so intensiven Blau ist wie Saphire. Majestätisch. Nicht so leicht zu ergründen. Das genaue Gegenteil von seicht und oberflächlich. Ehrfurcht gebietend.
Die Sache mit dem Kanufahren musste sich irgendwann im Gespräch ergeben, weil er sonst vielleicht auf den Gedanken kommen würde, dass ich es nur seinetwegen machte, um ihn glücklich zu machen.
Aber so war es nicht.
Ich versuchte dadurch nicht ihn, sondern mich selbst glücklich zu machen.
Drei Wochen nachdem ich Claire Abbot eine E-Mail geschickt hatte, bekam ich eine Antwort von ihr. Ich hatte mich eigentlich schon mit dem Gedanken abgefunden, dass sie wahrscheinlich keine Zeit für meine albernen Gedanken hatte. In meiner Mail hatte ich den Ring genau beschrieben und alles notiert, was ich über ihn wusste – was nicht gerade viel war. Ich hatte ihr geschrieben, dass ich mich fragte, ob er vielleicht der unglücklichen Lady Jane Grey gehört haben könnte. Als ich am Montagmorgen Claires Namen in meinem E-Mail-Eingang sah, öffnete ich ihre Nachricht als Allererstes.
Liebe Mrs Lindsay,
entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen erst jetzt antworte. Ich war auf Forschungsreise in England, bin aber jetzt zurück und gehe alle eingegangenen E-Mails durch. Ich würde mich natürlich freuen, mir Ihren Ring anzusehen, ebenso wie das Gebetbuch, in dem Sie ihn gefunden haben. Ich werde voraussichtlich erst im Herbst wieder in New York sein, aber Sie haben ja erwähnt, dass Sie Angehörige in New Hampshire haben – vielleicht wäre es Ihnen ja möglich, bei mir vorbeizukommen.
Ich würde mich jedenfalls freuen, Sie kennenzulernen.
Claire Abbot
Ich schrieb ihr sofort zurück und erkundigte mich, ob es ihr recht wäre, wenn ich bereits am nächsten Freitag käme. Mein Sohn hätte am darauffolgenden Tag einen Leichtathletikwettkampf in Hanover, den ich mir ansehen wolle.
Und dann wartete ich den ganzen Tag auf eine Antwort von ihr.
Stacy war genauso aufgeregt wie ich. Claire Abbot hatte jedenfalls nicht gesagt, dass es einen solchen Ring auf keinen Fall gäbe.
Wilson war noch sehr zurückhaltend. Claire Abbot hatte auch nicht gesagt, dass es einen solchen Ring gäbe.
Um kurz nach drei Uhr nachmittags kam endlich eine kurze Antwort von Claire. Sie fragte, ob ich am Freitag gegen halb vier Uhr in ihr Büro an der Uni kommen könne.
Ich sagte sofort zu und reservierte dann telefonisch einen Mietwagen fürs Wochenende.
Nach dem Telefonat überlegte ich, welche Übernachtungsmöglichkeiten es für mich gab. Ich konnte mir natürlich ein Hotelzimmer nehmen, ich konnte aber auch Brad fragen, ob ich noch einmal bei ihm in seiner Wohnung übernachten könne, und ausdrücklich sagen, dass ich im Gästezimmer schlafen wolle. Dann könnten wir zusammen zu dem Leichtathletikwettkampf fahren.
Ich beschloss, ihm diese Anfrage per SMS zu schicken, damit er dann eine Entscheidung treffen konnte, wenn er dazu bereit war. Und außerdem hätte ich es nur schwer aushalten können, wenn er zwar Ja gesagt hätte, das aber mit zögerlicher Stimme. Er durfte natürlich zögern, aber ich wollte es nicht hören.
Als ich drei Stunden später zu Fuß nach Hause ging, bekam ich eine SMS von ihm zurück.
Ich bin Freitagnacht nicht zu Hause. Bin auf einem Kongress in Providence. Du kannst aber gerne bei mir übernachten. Schlüssel liegt unter der Fußmatte.
Gut. Das war das.
Als ich erst einmal die Hektik des Stadtverkehrs hinter mir hatte, war die Fahrt ganz angenehm. Ich hatte mir einen roten Mini Cooper mit weißen Rallyestreifen gemietet. So einen hatte ich schon immer fahren wollen.
Ich kam fünfzehn Minuten zu früh auf dem Campus der Universität von New Hampshire an, also ließ ich mir Zeit mit dem Parken, kontrollierte, ob ich auch das Gebetbuch und den Ring sicher in meiner Handtasche verstaut hatte, und suchte noch einmal eine Toilette auf.
Ich fand Claire Abbots Büro im Horton Social Science Center und stand um Punkt halb vier vor ihrer Tür. Ich klopfte an, und eine Frauenstimme bat mich
Weitere Kostenlose Bücher