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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich lieber.
    „Ist es notwendig, dass ich das Kleid anprobiere?“, fragte sie teilnahmslos.
    „Ja, Mylady. Das muss leider sein.“
    „Warum ist denn Bridget nicht gekommen? Dich kenne ich ja gar nicht.“
    Ich sagte ihr nicht, dass Bridget langsam das Augenlicht verlor und als Damenschneiderin nicht mehr allein reisen konnte. Bridget musste in Bradgate bleiben, wo es zwischen den übrigen Bediensteten, die für die Garderobe verantwortlich waren, nicht weiter auffiel, dass sie nicht mehr gut sehen konnte. Außer mir wusste niemand, wie viel Mühe es ihr bereitete, ihre eigenen Stiche zu erkennen.
    „Ich bin neu in Bradgate, Mylady, und Bridget schickt mich. Und die Marquise.“
    „Wie heißt du?“ In ihrer jungen Stimme schwang unterschwellig Autorität mit.
    „Lucy Day, Mylady.“
    „Der Name gefällt mir“, sagte sie, aber ihre Stimme war traurig.
    „Sollen wir?“, fragte ich und hielt meine Arme mit dem Kleid hoch.
    Sie nickte, drehte sich um und ging zum Ankleidezimmer, das an ihr Wohnzimmer grenzte.
    Ich half ihr, das grüne Kleid auszuziehen. Als ich den Rock des schwarzen Kleides hinhielt, damit sie hineinsteigen konnte, begann Jane zu zittern. Ich hielt das Kleid einfach weiter fest und wartete. Ihre Augen schwammen bereits in Tränen, und das Zittern wurde immer stärker, als sie einen Schritt von den gebauschten Stoffmassen zurücktrat.
    „Mylady?“, sagte ich fragend.
    „Ich kann das Kleid doch nicht mit meinen Tränen beflecken!“, meinte sie nach Luft ringend und wischte sich hektisch die heißen Tränen ab, damit diese nicht auf das Kleid fielen.
    Sie griff sich an die bebende Brust, die flach und schmal war unter ihrem Mieder, während sich leise ihre Trauer Bahn brach. Sie sank auf die Knie, und heftiges Schluchzen stieg aus ihrem tiefsten Inneren empor.
    Ich ließ das Kleid fallen, das ich fast zweihundert Kilometer weit auf dem Schoß getragen hatte, und kniete neben ihr nieder. Aus einer Art schwesterlichem Instinkt heraus war es auch schon passiert, noch bevor ich klar denken konnte. Jane lehnte sich an mich, und ich legte nervös meinen Arm um sie und tätschelte ihre Schulter, wobei mir vage bewusst war, dass ich auf der Stelle entlassen werden würde, sollte in diesem Augenblick jemand den Raum betreten, da man mir meine Geste als Respektlosigkeit vor der Herrschaft ausgelegt hätte.
    Lady Janes Tränen und ihre Qual waren unschuldig und hemmungslos.
    „Ich vermisse sie so sehr“, flüsterte sie.
    „Eure Mutter?“, flüsterte ich zurück. Aber Lady Jane schüttelte den Kopf.
    Das Kind trauerte um die Königin.

Sieben
    Die Nähte des Mieders waren aufgetrennt, und ich schob die Miederstäbe aus Walbart in die winzigen dafür vorgesehenen Taschen. Mrs Ellen, Lady Janes Kinderfrau, stand über mir und nippte an einem Kräutertee, während ich versuchte, das schwarze Trauerkleid dem kindlichen Oberkörper anzupassen.
    Mrs Ellens Anwesenheit bereitete mir Unbehagen.
    Sie hatte kurz zuvor das Zimmer betreten, als ich Lady Jane gerade dabei geholfen hatte, sich wieder zu erheben, nachdem sie so geweint hatte. Als sie uns so gesehen hatte, war Mrs Ellen voller Entsetzen an die Seite der Lady geeilt, als hätte ich versucht, ihr etwas anzutun.
    „Was hast du getan?“, hatte Mrs Ellen ausgerufen und die Lady von mir weggezerrt.
    Bevor ich etwas darauf hatte entgegnen können, hatte Jane bereits das Wort ergriffen. „Sie hat nichts getan, außer mir Freundlichkeit zu erweisen. Ich will, dass sie bleibt.“
    Ich hatte erfahren, dass Mrs Ellen schon seit Lady Janes Geburt erst deren Amme und dann später ihre Kinderfrau gewesen war und sich entsprechend beschützend verhielt. Und auch jetzt wich sie ihrem Schützling nicht von der Seite, während ich Lady Janes Maße nahm. Ich glaube, es gefiel ihr nicht, dass nicht sie, sondern ich Zeugin des heftigen Gefühlsausbruchs der Lady geworden war. Immer wieder fragte sie Lady Jane, ob auch wirklich alles in Ordnung sei, bis diese sie schließlich bat, ihr ein wenig Weincreme vom Abendessen am Vortag zu holen.
    „Sie macht sich Sorgen um mich“, erklärte Jane, als Mrs Ellen kurz den Raum verlassen hatte, um ein Dienstmädchen in die Küche zu schicken.
    Ich fasste den Rock an ihrer Taille zusammen und nickte.
    „Sie weiß, dass ich Angst davor habe, wieder zurückzumüssen.“ Janes Blick schweifte zur Tür, durch die Mrs Ellen verschwunden war. Sie schien niemanden speziell

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