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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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Respekt hatten, Latein unterrichtet.
    Er hatte den Ring unter meine Schreibtischlampe gehalten und beim Entziffern der Worte die Augen zusammengekniffen. Stacy und ich hatten neben ihm gestanden und ungeduldig gewartet.
    „ Vulnerasti cor meum, soror mea, sponsa “, hatte er dann gesagt. „Ich glaube, das ist ein Vers aus dem Hohelied.“
    „Aus dem was?“
    „Dem Hohelied Salomos“, sagte Stacy. „Das ist das Liebesgedicht im Alten Testament.“
    „,Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, meine Braut‘“, rezitierte Wilson.
    „Dann ist das ja so was wie ein Verlobungsring!“, rief Stacy. „Und ich finde es so cool, dass Ihr Name draufsteht, Jane.“
    Wilson gab mir den Ring zurück und sagte: „Er ist außergewöhnlich klein. Die Dame, die ihn getragen hat, muss extrem schlanke Finger gehabt haben.“
    „Oder sie war noch sehr jung“, bemerkte Stacy. „Haben die Leute vor ein paar Hundert Jahren nicht immer sehr jung geheiratet?“
    „Die Adeligen ganz sicher“, antwortete Wilson. „Sie sollten den Ring auf jeden Fall schätzen lassen und versichern. Wenn er so alt ist, wie ich glaube, dann übersteigt es sogar meine Vorstellung, wie viel er wert sein muss.“ Dann verzog er das Gesicht. „Es ist gefährlich, ihn einfach so mit sich herumzutragen, als hätten Sie ihn aus dem Kaugummiautomaten gezogen.“
    „Ich weiß. Ich verspreche Ihnen, dass ich mich darum kümmere, Wilson“, sagte ich. „Aber ich bin nicht … ich weiß noch gar nicht, ob ich ihn überhaupt behalten soll.“ Ich steckte mir den Ring an den kleinen Finger und betrachtete ihn.
    „Wie meinen Sie das?“, hakte Stacy nach.
    „Wem auch immer Emma diese Kisten abgekauft hat, die Person kann unmöglich etwas von der Existenz des Buches oder des Rings gewusst haben. Was ist, wenn er seit Jahrhunderten in Familienbesitz ist? Wenn ich ihn behalten würde, wäre das wie Diebstahl“, antwortete ich.
    „Das wäre es ganz sicher nicht“, entgegnete Wilson. „Und selbst wenn der Ring jahrzehntelang in Familienbesitz war, was sollte dann wohl die Eigentümer geritten haben, das Gebetbuch und den Ring in einer alten verrosteten Blechschachtel zu verstauen und diese dann im Gebälk eines alten Maschinenschuppens, oder was es auch immer gewesen sein mag, zu lagern? Ich wette, es ist schon ein paar Hundert Jahre her, dass jemand über das Buch und den Ring Bescheid gewusst hat. Außerdem haben Sie den Ring doch völlig legal und fair erworben. Als Sie die Kisten bezahlt haben, waren damit die Bücher bezahlt, und mit der Bezahlung der Bücher ist doch auch der Ring Ihr rechtmäßiges Eigentum.“
    „Ich weiß, dass es rein rechtlich kein Diebstahl ist, aber irgendwie habe ich das Bedürfnis, wenigstens den Versuch zu unternehmen herauszufinden, was es mit dem Ring auf sich hat und woher er stammt.“
    Stacy nickte. „Ich glaube, das würde ich auch wollen.“
    „Ich nicht“, sagte Wilson und knipste die Schreibtischlampe wieder aus. „Ich würde ihn schätzen lassen und versichern, und wenn ich ihn dann eine Weile selbst bestaunt hätte, würde ich ihn einem englischen Museum stiften. Dorthin gehört nämlich so ein Ring. Und für das Gebetbuch gilt dasselbe. Das gehört nicht in die Hände von Leuten, die keinen Respekt vor der eigenen Geschichte haben.“
    „Also, ich finde, wir machen eins nach dem anderen. Ich nehme den Ring jetzt am Wochenende erst einmal mit nach Hause, nach Long Island. Der Juwelier, bei dem ich damals als Schülerin gearbeitet habe, ist Spezialist für alten Schmuck.“
    Wilson schnaubte. „Ich bezweifle aber ernsthaft, dass ein Juwelier auf Long Island jemals einen Ring wie den hier zu Gesicht bekommen hat. Ich glaube, Sie täten wirklich besser daran, mit dem Ring ins ,Metropolitan Museum‘ zu gehen und ihn da von einem Kurator begutachten zu lassen.“
    „Wahrscheinlich“, murmelte ich.
    „Wahrscheinlich was?“
    „Ich weiß nicht, Wilson“, sagte ich, doch in Wirklichkeit kannte ich den Grund und sprach ihn dann auch aus. „Wahrscheinlich möchte ich ihn einfach noch ein Weilchen für mich haben. Wenn ich ihn ins Museum bringe, werden sie ihn mit Sicherheit dabehalten wollen.“
    „Ja, natürlich werden sie das wollen. Weil es auch der beste Platz für ihn ist.“
    „Vielleicht.“
    „Also –“, setzte Wilson an, sprach dann aber nicht weiter, denn die Klingel an der Ladentür ertönte, und er sah erleichtert aus, dass er einen Grund hatte, sich zu entschuldigen.
    Stacy wandte

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