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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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sich mir zu und sagte: „So ein hübscher Ring.“ Sie streckte die Hand danach aus. „Darf ich?“
    Ich gab ihn ihr, und sie steckte ihn sich auf die obere Hälfte ihres Ringfingers. Der Ring war so klein, dass er nicht einmal über den ersten Fingerknöchel passte.
    „Ich frage mich, ob es ein Happy End für sie gegeben hat“, sinnierte sie. „Für die Jane, die den hier getragen hat, und den Mann, von dem sie ihn bekommen hat. Soll ich Ihnen ein Ringkästchen holen?“
    „Ja, gern“, antwortete ich und steckte mir den Ring wieder an meinen kleinen Finger. Dieses Mal an den der rechten Hand.
    Mein Handy gab genau in dem Augenblick das Signal für einen Termin von sich, als ich mir den Ring wieder ansteckte. Es war der Termin bei Dr. Kirtland. Ich hatte Glück gehabt. Weil ein anderer Patient einen Termin abgesagt hatte, konnte ich schon drei Tage nach meinem recht nervösen Anruf in der Praxis dessen Termin wahrnehmen.
    Eine halbe Stunde später saß ich bereits auf einem der vielen blau gepolsterten Stühle in Jonah Kirtlands Wartezimmer. Ich hatte der Frau am Empfang meinen Namen genannt und dann zwischen einem Dutzend anderer wartender Personen Platz genommen. Niemand blickte auch nur auf, als ich mich auf meinem Stuhl niederließ, wofür ich sehr dankbar war. Ich beschloss, mir das für die Zukunft zu merken: die Anonymität derer zu achten, die genau wie ich den Weg in eine Praxis wie diese gefunden hatten.
    Ich stellte meine Handtasche neben meine Füße auf den Boden und schaute mich neugierig im Raum um. Einrichtung und Dekoration waren eindeutig maritim. Gegenstände aus Messing, an den Wänden eine Holzvertäfelung aus breiten Brettern, gerahmte Bilder von Meereslandschaften mit Muscheln und Algen, aber keine Schiffswracks. In einer Ecke des Raumes stand ein glänzender antiker Kompass, und es reizte mich ungemein, ihn aus der Nähe zu betrachten, aber ich wollte nicht die Aufmerksamkeit der anderen Wartenden auf mich ziehen. Außerdem fühlte ich mich außerstande aufzustehen, denn der ganze Raum vermittelte mir irgendwie das Gefühl, als befände ich mich auf einem schwankenden Schiff.
    Stattdessen blätterte ich während der Wartezeit in einer Kunstzeitschrift und fragte mich bei jedem Umblättern, ob es überhaupt möglich war, im Wartezimmer einer Arztpraxis seekrank zu werden. Ich wippte unablässig mit dem Fuß und gab mir Mühe, ihn still zu halten, während die Minuten dahinschlichen. Irgendwann klingelte dann mein Handy, und als ich es schließlich nach längerem Herumkramen in meiner Tasche gefunden hatte, sah ich, dass der Anruf von meiner Mutter kam. Ich schaltete das Handy trotzdem aus und ließ es wieder in meine Handtasche gleiten.
    Kurz darauf wurde mein Name aufgerufen. Ich folgte einer jungen Frau einen Gang entlang zu einer von mehreren glänzend lackierten Holztüren. Ich war dankbar, dass in dem Augenblick, als ich aufgestanden war, das Schwindelgefühl nachgelassen hatte. Die Frau klopfte kurz an die Tür des Sprechzimmers und betrat dann den Raum. Zunächst konnte ich die Person hinter dem Schreibtisch nicht sehen, weil mir der Rücken der Frau die Sicht versperrte. Das Einzige, das ich sah, waren die Kanten eines Schreibtisches, noch mehr blaue Polstermöbel, noch mehr Bilder mit Meereslandschaften, noch mehr Antiquitäten aus der Seefahrt und ein Glastisch am Fenster, in dessen Mitte eine kleine Holzschale stand.
    „Dr. Kirtland, Ihr 15-Uhr-Termin ist da“, hörte ich die Frau sagen.
    Als ein Mann hinter dem Schreibtisch hervorkam, zuckte ich zusammen. Dr. Kirtland sah keinen Tag älter aus als dreißig. Er trug Jeans, ein rot gestreiftes Oberhemd und rostrote Birkenstocks. Er hatte kurz geschnittenes, lockiges Haar, große stahlgraue Augen, eine große Nase und die jugendliche gebräunte Haut eines Mannes, der immer noch ab und zu unter Akne leidet.
    Er kam auf mich zu, streckte mir seine Hand zur Begrüßung hin, und die Frau trat zurück, damit ich ihn ebenfalls begrüßen konnte. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs Lindsay. Ich bin Jonah Kirtland.“
    Ich gab ihm wortlos die Hand.
    Hinter uns verließ die Frau den Raum und schloss die Tür.
    Jonah Kirtland lächelte mich an. „Bitte, setzen Sie sich doch.“
    Er deutete dabei nicht auf die Stühle, die auf der anderen Seite seines aufgeräumten, klobigen Schreibtischs standen, sondern zu dem kleinen Glastisch am Fenster. Ich nahm auf einem der Stühle Platz und brachte kein Wort heraus. Da wusste ich, was Molly

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