Neun Tage Koenigin
Ellen stand hinter Lady Jane und war gerade dabei, die Schließe der schweren Halskette zu öffnen. Sie blickte grimmig drein.
Ich begann, die Manschetten zu entfernen. „Da seid Ihr sicher froh.“
„Ja. Bradgate fehlt mir zwar, aber … im Moment bin ich doch lieber in der Nähe des Admirals. Er trauert immer noch sehr um die Königin. Und Papa und Mama möchten mich gerne in der Nähe von London wissen, nah bei Hofe.“
Mrs Ellen fing meinen Blick auf, und ich nahm ein angedeutetes Kopfschütteln wahr, so als sei sie verärgert.
Ich nahm Jane die zweite Manschette ab und fing dann an, die Haken des Mieders zu öffnen. „Und werde ich jetzt bei Euch bleiben, Mylady?“, erkundigte ich mich.
Sie drehte sich halb zu mir um. „Mama wollte dich eigentlich wieder zurückholen, aber ich habe sie gefragt, ob du nicht bleiben könntest, weil ich ja auch viel bei Hof sein werde.“ Sie lächelte mich leicht an.
„Ich bin hocherfreut, bei Mylady zu bleiben“, sagte ich.
Wieder drehte sie sich zu mir um. „Ich glaube, Mama war verärgert darüber, dass ich vor ihr erkannt habe, welche Vorteile das hat.“
Ich spürte, dass Janes Zufriedenheit über mein Bleiben weniger mit ihrer Garderobe zu tun hatte als mit dem, was sie innerlich beschäftigte. Sie hatte in mir eine Freundin und Vertraute gefunden, was mich zugleich verunsicherte, aber auch freute. Ich hatte bisher nur für einen weiteren Adligen gearbeitet außer für den Marquis, und in dessen Haushalt hatte ich mich mit niemandem angefreundet, aber die Erwartung hatte ich auch gar nicht gehabt. „Möchtet Ihr, dass ich Euch ein neues Kleid nähe, Mylady?“
Wieder drehte sich Jane halb zu mir um. „Das wäre wunderbar“, antwortete sie, und ihre Stimme war heiter und glücklich.
Mrs Ellen hielt die Halskette und die Duftkugel in den Händen, und es schien ihr zu gefallen, dass ich das Gespräch von dem, was bei dem Treffen zwischen Jane und ihren Eltern besprochen worden war, abgelenkt hatte. Sie strahlte mich an und sagte: „Ich räume das hier nur rasch weg.“
„Und wie geht es Euren Eltern, Mylady“, fragte ich, während ich ihr den Rock an der Taille löste.
„Es geht ihnen gut. Sie … sie konnten nicht bleiben.“
Ich tat, als wüsste ich das nicht bereits. „Ach, wie schade.“
„Sie mussten wieder zurück. Edward Seymour und seine Mutter sind wieder in Bradgate zu Besuch.“ Jane stieg aus ihrem Rock.
„Habt Ihr … habt Ihr Euch gewünscht, mit ihnen zurückzufahren, Mylady?“ In dem Augenblick, als ich es ausgesprochen hatte, bereute ich es bereits. Es war eine viel zu persönliche Frage. Aber Jane antwortete schon, bevor ich sie um Entschuldigung bitten konnte.
„Doch, das habe ich. Ich hätte Edward gern wiedergesehen, hätte gern gesehen, ob er noch so ist, wie ich ihn in Erinnerung habe. Ich habe sogar gefragt, ob sie wünschten, dass ich auf einen Besuch mit zu ihnen nach Hause käme, aber Mama hat nur entgegnet, welchen Sinn denn das wohl haben sollte.“
Jane sah klein und jung aus, wie sie so in ihrer Unterwäsche dastand. Der Kopfputz hatte an ihren Locken gezupft, sodass diese ganz schlaff herunterhingen und sie verloren wirken ließen.
„Aber das macht nichts“, fuhr sie mit einer Stimme fort, die für ihr Alter viel zu erwachsen klang. „Der Lord Admiral glaubt, dass er bereits nächstes Jahr um diese Zeit meine Verlobung mit dem König arrangiert haben kann. Reich mir doch bitte meinen Morgenmantel.“
Ich nahm einen zartrosa Morgenmantel aus weicher Seide vom Fußende ihres Bettes und half ihr hinein. Sie band die Schleife aus Satin und seufzte leise.
Mrs Ellen kam wieder ins Zimmer zurück, und Lady Jane verkündete, dass sie sich vor dem Essen gerne noch ein wenig hinlegen und ausruhen wolle. Mrs Ellen half ihr ins Bett, und ich vergewisserte mich noch einmal, ob ich auch alle Teile ihres Kleides beisammen hatte.
„Schlaft gut, Mylady“, sagte Mrs Ellen noch, bevor wir uns zum Gehen wandten. Vor der Zimmertür trug mir Mrs Ellen dann auf, eines der Dienstmädchen um einen Kräutertee für Jane zu bitten, was ich gerne tat.
„Gefällt es ihr, hier beim Admiral zu bleiben?“, fragte ich.
Mrs Ellen nickte. „Das hat sie sich gewünscht. Aber ich wünschte, sie wäre nicht in alle Einzelheiten eingeweiht worden. Sie braucht nicht zu wissen, wie viel ihre Eltern dem Admiral dafür bezahlen.“
Ich wusste nicht, was sie damit meinte. „Wie bitte?“
„Der Marquis bezahlt den Lord Admiral dafür,
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