Neun Tage Koenigin
immer so. Ich finde, es ist gut, sich den Rat anderer Leute anzuhören, bevor man wichtige Entscheidungen trifft.“ Meine Stimme klang ein bisschen zittrig, so als glaubte ich selbst meinen eigenen Worten nicht so recht.
Molly hielt nur einen ganz kleinen Moment inne und warf dann ein: „Ich glaube nicht, dass Dr. Kirtland dich darauf hinweisen wollte, dass du dir zwanghaft Rat von anderen Leuten holst, bevor du wichtige Entscheidungen triffst, Jane.“
„Doch, das hat er.“
„Ich glaube eher, er hat gemeint, dass du zwanghaft andere Leute die wichtigen Entscheidungen für dich treffen lässt.“
„Was redest du denn da?“ Die Worte waren einfach so aus mir herausgesprudelt. „Woher willst du denn wissen, dass er das gemeint hat?“
Genau in dem Augenblick wurde sie von einer ihrer Töchter gerufen, sodass wir unser Gespräch an dieser Stelle abbrechen mussten. Sie sagte, sie würde mich am Sonntag anrufen, wenn ich wieder von Long Island zurück sei. Wir verabschiedeten uns mit einem etwas mulmigen Gefühl, und dann war die Verbindung beendet.
Während ich jetzt auf meinen Vater wartete, kam mir wieder in den Sinn, dass Molly kurz vor dem Ende des Gespräches gesagt hatte, es täte ihr leid, wenn mich ihre Worte verletzt hätten. Aber dafür, dass sie sie gesagt hatte, hatte sie sich nicht entschuldigt.
Ich war froh, dass außer meinem Vater noch meine Schwester in dem neuen Volvo meines Vaters saß, als er vor dem Bahnhof vorfuhr. Wenn Leslie dabei war, würde mein Vater sich wahrscheinlich nicht trauen, nach den wahren Gründen für Brads gegenwärtigen Aufenthaltsort zu fragen. Denn meine Eltern waren wenigstens einigermaßen diskret, wenn sie sich mein Privatleben vorknöpften.
Ich warf meinen leeren Kaffeebecher in den Mülleimer, während mein Vater und Leslie aus dem Wagen stiegen und auf mich zukamen. Mein Vater, der das gestreifte kurzärmelige Hemd trug, das ich ihm zum Vatertag geschenkt hatte, gab mir das übliche Küsschen auf die Wange. Das Stahlgrau im Stoff seines Hemdes passte genau zu seinem glatten silbergrauen Haar. Er roch wie gewöhnlich nach Rasierwasser. Leslie hatte ein knallpinkfarbenes, eng anliegendes T-Shirt an und eine Jeans. Dazu trug sie Kreolen, die so groß waren wie Untertassen. Ihr kurz geschnittenes Haar durchzogen Strähnchen in Bronze, Kupfer und Gold.
Wir umarmten einander, und ich gratulierte ihr zum Geburtstag.
„Ist das alles, was du dabeihast?“ Mein Vater hatte meine kleine Übernachtungstasche schon in der Hand und schaute sich jetzt suchend um, wahrscheinlich, weil er noch nach einem Koffer Ausschau hielt.
„Ich bleibe doch nur über Nacht, Papa“, entgegnete ich lachend.
„Deine Mutter hat gesagt, du würdest das ganze Wochenende bleiben und erst Montag früh wieder fahren.“
So etwas hatte ich nie gesagt, und deshalb antwortete ich: „Äh … nein. Ich muss morgen wieder zurück nach Manhattan.“
„Sie ist jetzt berufstätig, Papa, schon vergessen?“, sagte Leslie, während wir zum Wagen meines Vaters gingen. „Der Antiquitätenladen?“
Mein Vater überging ihren Sarkasmus geflissentlich. „Deine Mutter hat gesagt, du hättest ein neues Mädchen eingestellt und könntest deshalb bis Montag bleiben.“
„Stimmt, ich habe zwar jemanden eingestellt, aber nur in Teilzeit, Papa. Und ich habe auch nie gesagt, dass ich zwei Nächte bleibe.“
Wir kamen beim Auto an, und als ich meine Hand ausstreckte, um die Tür auf der Beifahrerseite zu öffnen, deutete Leslie auf den Ring an meinem kleinen Finger, dessen Edelsteine von den Sonnenstrahlen liebkost wurden.
„Hey, ist der Ring neu?“
„Nein. Das ist sogar ein ziemlich alter Ring. Er war bei einer Lieferung dabei, die ich vergangene Woche von Emma bekommen habe. Ich möchte ihn gern David Longmont zeigen und fragen, ob er ihn für mich schätzen kann.“ Während mein Vater meine Tasche in den Kofferraum stellte, beugte ich mich zu meiner Schwester.
„Mein Vorname ist in der Innenseite eingraviert“, sagte ich leise.
Ihre Augen wurden ganz groß, während mein Vater den Kofferraumdeckel zuschlug und verkündete, dass David Longmont in Rente gegangen sei.
Ich rief über meine Schulter nach hinten: „Ich habe aber gehört, dass er sich immer noch in der Firma herumtreibt, auch wenn sein Sohn jetzt der Chef ist.“
„Kann ich ihn mal sehen?“, fragte Leslie, als wir beide eingestiegen waren.
Ich nahm den Ring ab und reichte ihn ihr über die Sitzlehne nach hinten. Sie hielt
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