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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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wieder nach vorn, und meine Wangen wurden heiß, weil ich errötete.
    „Mr Aylmer sieht ausgesprochen unzufrieden aus“, sagte ich rasch und wollte das Gespräch auf ein anderes Thema lenken.
    „Ihm gefällt ganz sicher dieses leuchtend rote Kleid nicht. Prinzessin Elisabeth trägt nur Schwarz und Grau, wie es sich für ein pflichtbewusstes protestantisches Mädchen ziemt. Ich sollte das hier ganz sicher nicht tragen. Und ich weiß, dass du Mr Staverton kennengelernt hast, weil er es mir heute Morgen selbst erzählt hat, während Mr Aylmer meine Lateinübersetzung durchgesehen hat.“
    Sie drehte sich über die Schulter zu mir um. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln lag auf ihren Lippen.
    „Ach … ja, ja, das habe ich“, brachte ich heraus. „Eher zufällig. Ich war gestern Abend nach dem Essen noch draußen, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Er … ich … ich war am Teich. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt.“
    „Ja, das hat er mir auch erzählt. Er hat mir erzählt, du hättest gesungen, und er fand es wunderschön.“
    „Er wollte sicher nur nett sein.“ Ich hätte beinah die Schleppe fallen gelassen.
    „Nein. Er hat gesagt, es sei wunderschön gewesen. Engelsgleich. Du hättest ein Wiegenlied gesungen, das seine Großmutter ihm früher immer vorgesungen hat.“
    „Dass es engelsgleich war, wage ich zu bezweifeln“, wandte ich ein und versuchte zu lachen, was mir jedoch misslang.
    „Er war fasziniert von dir, Lucy. Sehr fasziniert sogar. Heute Morgen war ich noch eifersüchtig auf dich.“
    „Aber, Mylady, ich –“
    „Er möchte dich gern noch einmal sehen, bevor er morgen früh wieder abreist. Damit du ihm den Text des Wiegenliedes vorsagen kannst. Obwohl ich zu behaupten wage, dass das nur ein Vorwand ist, um dich wiederzusehen.“
    „Aber ich –“
    „Vielleicht solltest du dich jetzt mit ihm treffen, Lucy, während ich bei meinen Eltern bin.“
    „Ich weiß nicht, Mylady, ich bin nicht –“
    Aber Jane blieb abrupt stehen, drehte sich um und hob eine Hand. Irgendwo in der Ferne hörte ich Schritte auf dem Gang, aber ich hatte nicht den Mut, mich umzudrehen. Ein paar Augenblicke später stand Mr Staverton neben uns.
    „Mylady“, sagte er und verbeugte sich. „Miss Day.“
    Ich machte einen Knicks, konnte ihm aber nicht in die Augen sehen.
    „Mr Staverton, vielleicht könntet Ihr und Lucy, ich meine Miss Day, im Musikzimmer auf mich warten, während meine Eltern mich empfangen?“
    „Es wäre mir ein Vergnügen!“, antwortete Mr Staverton rasch.
    „Dann wird Miss Day in Kürze bei Euch sein. Vielleicht möchtet Ihr ja inzwischen noch Pergament und Feder aus dem Schulzimmer holen.“
    Jane nickte als Zeichen, dass er entlassen war, drehte sich rasch wieder um und machte einen Schritt vorwärts.
    Ich schaute nur noch ganz kurz zurück, bevor ich mit ihr weiterging, und da verbeugte sich Nicholas Staverton vor mir.
    Ich war bereits vor Mr Staverton im Musikzimmer, und dafür war ich sehr dankbar. Mein Herz pochte wie wild. Ich stand an einem Fenster mit Blick auf den riesigen Park von Bradgate, zählte langsam auf Lateinisch, so wie Jane es mir beigebracht hatte, um mein Herzklopfen ein wenig zu beruhigen. Es war schon lange her, dass ein Mann mein Interesse geweckt hatte, sehr lange, und ich hatte schon ganz vergessen, wie verwirrend das war.
    Ich hörte gar nicht, wie er den Raum betrat.
    „ Quindecem “, flüsterte ich.
    „Fünfzehn?“
    Ich wirbelte herum.
    „Ich scheine ja ein echtes Talent dafür zu haben, Euch zu erschrecken, Miss Day. Ich versichere Euch aber, dass das ganz gewiss nicht meine Absicht ist.“
    „Ich habe nur gezählt“, sagte ich ein wenig benommen.
    „Und was habt Ihr gezählt?“
    „Wie bitte?“
    Nicholas trat neben mich ans Fenster und blickte in den Park hinaus, offenbar in der Annahme, dass ich Hirsche oder Gänse oder Wölkchen am Himmel gezählt hatte.
    „Was habt Ihr gezählt?“, fragte er noch einmal.
    Seine Nähe war faszinierend, und ich wusste, dass es völlig sinnlos war, weiterhin so zu tun, als wäre es nicht so. Ich war keine gute Lügnerin. Das war ich noch nie gewesen.
    „Nichts“, flüsterte ich.
    Nicholas wandte sich mir mit ebenso fragendem wie zärtlichem Blick zu.
    „Und wieso habt Ihr nichts gezählt? Und dazu auch noch auf Lateinisch?“ Seine Stimme war leise und einladend.
    „Um mich selbst zu beruhigen.“
    „Um Euch zu beruhigen? Seid Ihr denn unruhig?“ Er lachte.
    „So etwas in der Art.“ Ich spürte, dass mein

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