Neun Tage Koenigin
nicht wahr?“ Ich lächelte ihn an.
Sein Schock hielt nur einen kurzen Moment an. „Er hätte es dir schon viel früher erzählen müssen.“
Ich zuckte nur mit den Achseln und blinzelte neuerlich lauernde Tränen weg.
„Aber Molly hat wirklich nichts davon gewusst“, fügte er hinzu.
Ich nickte stumm. Wenn ich jetzt meinen Mund aufmachte, um etwas zu sagen, würde ich die Fassung verlieren. Also sagte ich lieber nichts.
„Ruf an, wenn du was brauchst.“
„Mach ich“, flüsterte ich.
Ich winkte, als die beiden davonfuhren, und dann betrat ich die sehr stille Wohnung. Als ich drinnen war, merkte ich, dass das Handy in meiner Handtasche vibrierte. Ich fragte mich, ob Brad wohl versucht hatte, mich anzurufen, und kramte es mit zitternden Fingern aus der Handtasche. Es zeigte zwei Anrufe in Abwesenheit an. Einer kam von Emma. Sie hatte mir eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen. Der andere stammte von Wilson, er hatte allerdings keine Nachricht hinterlassen. Ich wählte die Mailbox an, um Emmas Nachricht abzuhören.
„Hallo, Schätzchen. Also, ich habe den Mann gefunden, der mir die Bücherkisten verkauft hat. Er heißt Edgar Brownton. Er hat die Sachen von der Enkelin eines alten Rentners gekauft, der letzten Winter gestorben ist. Der alte Mann hatte einen Schuppen bis zur Decke mit Kisten voll gestapelt, die seine Enkelin dann einfach so kistenweise versteigert hat, wie sie waren, ohne die Sachen erst zu sichten. Brownton weiß nicht, wie die Frau heißt. Sie lebt nicht einmal in England. Er glaubt, dass sie in Kanada lebt. Er hat die Kisten jedenfalls in Swansea gekauft. Das ist alles, was ich dazu herausbekommen habe, Schätzchen. Du wirst einfach eine gute Geschichte darüber erfinden müssen, woher das wunderschöne Schmuckstück stammt. Also ruf mich an, wenn du wieder zu Hause bist. Mein Angebot, mich besuchen zu kommen, steht.“
Danach rief ich erst einmal Wilson an, bevor ich mich dann daranmachte, die Enttäuschung über das Ergebnis von Emmas Recherchen zu verdauen.
Wilson meldete sich schon beim ersten Klingeln.
„Ich bin es, Jane. Ist alles in Ordnung?“
„Ach, Sie sind es. Aber ja, Jane, alles in Ordnung. Ich bin da nur auf etwas gestoßen und wollte nicht bis morgen damit warten, es Ihnen zu erzählen. Es ist wirklich seltsam. Passt es Ihnen jetzt gerade?“
Er klang aufgeregt. So nett es auch war, eine fröhliche Stimme zu hören, es wäre wirklich einfacher gewesen zu sagen, dass es gerade ein lausiger Zeitpunkt sei. Dennoch ließ ich mich in einen Sessel fallen, schüttelte meine Schuhe von den Füßen und sagte, dass es gerade gut passe.
„Also, mein Enkel Eric ist heute zu Besuch. Er studiert Politik als Hauptfach, wissen Sie. Und ich habe ihm von dem Ring erzählt, den Sie gefunden haben.“
„Ja?“
„Er hat gesagt, dass die Verlobungen adeliger Personen damals beurkundet wurden. Es müsste also Aufzeichnungen darüber geben.“
„Ja, aber diese Jane hat ja vielleicht die Person, von der sie den Ring bekommen hat, gar nicht geheiratet. Der Ring war ja, wie wir beide wissen, fast ungetragen.“
„Das ist genau der Punkt, auf den ich hinauswill.“
„Ich weiß jetzt nicht so genau, was Sie meinen, Wilson.“
„Eric hat in eine Suchmaschine im Internet mal die Begriffe ,Jane‘, ‚Verlobung‘ und ‚sechzehntes Jahrhundert‘ eingegeben.
Ich hielt vor Spannung die Luft an. „Und?“
„Dabei sind zwei Namen immer wieder aufgetaucht. Der eine ist ,Jane Seymour‘. Sie war die dritte Frau von Heinrich VIII. Sie und Heinrich wurden innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach Anne Boleyns Hinrichtung miteinander verlobt und haben nicht einmal einen Monat später geheiratet. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass Heinrich ihr damals einen Verlobungsring geschenkt hat. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass der Verlobungsring einer englischen Königin in einem zerfledderten Gebetbuch landet.“
„Stimmt. Erzählen Sie weiter.“
„Der andere Name, der mehrfach auftauchte, ist ,Jane Grey‘. Können Sie sich erinnern, wer sie war?“
Der Name kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht zuordnen. „Nein, kann ich nicht. Wer war sie?“
Wilson schien pikiert darüber, dass ich nicht wusste, wer diese andere Jane war.
„Wirklich nicht? Na ja, sie war ebenfalls nur ganz kurz verlobt. Weniger als einen Monat, genau wie Jane Seymour.“
„Vielleicht haben ja junge adelige Frauen ihre Verlobungsringe grundsätzlich nicht lange
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