Neun Tage Koenigin
am Arm, sodass ich stehen bleiben musste.
„Du musstest es erfahren, weil es dir gegenüber einfach nicht fair war, dass du es nicht wusstest.“
„Nicht fair mir gegenüber?“ Ich drehte mich abrupt zu ihm um. „Du machst dir Gedanken darüber, was mir gegenüber fair ist? Aha, so fühlt es sich also an, wenn man fair behandelt wird?“
Dazu sagte er nichts.
„Wer war sie?“
„Du kennst sie nicht.“
„Wer war sie?“
„Ich habe im ,Memorial‘ mit ihr zusammengearbeitet. Sie heißt Dana. Sie ist einer der Gründe, weshalb ich wegmusste. Ich konnte nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten.“
Ich wandte mich von ihm ab und blickte jetzt auf einen Zaun und eine Hecke aus fröhlich blühenden Forsythien. Ich fühlte mich dumm, ignorant, betrogen. Leslie hatte recht. Es war besser, nicht zu wissen, dass es eine andere Frau gab – oder gegeben hatte. Ich musste sofort zurück nach New York. Aber wie sollte ich zum Flughafen kommen? Ich brauchte ein Taxi. Ich musste ein Taxi rufen.
„Wir haben uns vergangenes Jahr in einem OP-Team kennengelernt und uns angefreundet.“
Ich brauchte ein Taxi. Wo war meine Handtasche? Wo war mein Handy? Ich ging wieder zur Terrassentür, die ins Haus führte. Meine Handtasche war im Schlafzimmer.
„Ich wollte nicht, dass so etwas passiert, Jane. Ich wollte mich nicht zu ihr hingezogen fühlen.“ Er suchte meinen Blick. „Ich wollte es wirklich nicht! Als ich gemerkt habe, dass es schon so ist, da wusste ich, dass zwischen uns schon länger etwas nicht mehr stimmte. Die Zweifel waren schon längst da.“
„Na, wie praktisch“, murmelte ich und ging an ihm vorbei ins Esszimmer. Er folgte mir. Ich brauchte ein Taxi. Ich brauchte mein Handy. Ich musste hier weg.
Er griff nach meinem Arm. „Schon als ich bei der goldenen Hochzeit deiner Eltern dieses Gespräch zwischen dir und Leslie mit angehört habe, hat mich die Frage beschäftigt, was zwischen uns nicht stimmt. Genau wie du. Diese Sache mit Dana hat erst danach angefangen, erst ein paar Wochen später.“
Ich entriss ihm meinen Arm. „Das ist nicht meine Schuld! Ich kann einfach nicht glauben, dass du dieses alberne Gerede mit meiner Schwester über einer Bowle gleichsetzt mit dem, was du gemacht hast. Wie kannst du das, was ich zu Leslie gesagt habe, mit dem vergleichen, was du mir hier gerade erzählst?“
„Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es dasselbe ist! Und ich habe keine Affäre gehabt, Jane. So weit ist es nie gegangen.“
„Na, da habe ich ja offenbar noch mal richtig Glück gehabt.“ Ich drehte mich von ihm weg und ging zur Treppe. Ich brauchte mein Handy.
Wieder kam er hinter mir her. „Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist. Wir waren nur gute Freunde. Man konnte einfach gut mit ihr reden, sie hat mich zum Lachen gebracht, hat mir gute Ratschläge gegeben, hat mich nach meinen Kanutouren gefragt. Ich wollte nicht, das ich mich immer mehr auf die Zeit freute, die ich mit ihr zusammen verbringen konnte, aber es war so.“
Ich wollte mir die Ohren zuhalten. Ich wollte nichts mehr davon hören. Irgendwie kam mir das Ganze so vor, als würde er mich anklagen. Ich war auf der ersten Treppenstufe nach oben, als er mich wieder am Arm packte und mich so zu sich drehte, dass ich ihn ansehen musste.
„Es war sehr einseitig, Jane. Es ging nur von mir aus, nicht von ihr. Eines Abends habe ich sie dann geküsst. Auf dem Parkplatz. Ich hatte es gar nicht geplant. Es ist … einfach so passiert.“
Ich griff nach dem Treppengeländer. Taxi. Handy. Ich nahm die nächste Stufe.
„Aber sie wollte nicht, dass ich sie küsse.“ Brad hatte mich immer noch fest am Arm gepackt. „Sie war über meinen Annäherungsversuch empört, denn sie wusste, dass ich verheiratet war. Sie hat gesagt, dass wir mehr Abstand voneinander bräuchten, dass nichts Gutes dabei herauskäme, wenn wir weiter so viel zusammen wären. Aber ich habe sie ja trotzdem fast jeden Tag gesehen. Sie hat versucht, mir aus dem Weg zu gehen, aber wir sind uns trotzdem andauernd irgendwo begegnet. Ich musste weg aus der Klinik. Ich musste da weg. Und das habe ich dann ja auch durchgezogen.“
Wieder kamen mir die Tränen, und diesmal liefen sie mir ungebremst die Wangen hinunter. „Aber du hast nicht nur sie verlassen, Brad! Du hast mich verlassen.“
Der Schmerz in seiner Miene zerriss mich förmlich. Ich musste den Blick abwenden.
„Ich konnte nicht so tun, als wäre nichts passiert, Jane. Ich musste da raus. Ich musste weg. Ich
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