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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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Röhrchen ein neues Schildchen klebte, tauchte auf ihrem Bildschirm eine Nummer neben dem Namen auf. Während die Proben weiter durch die drei Facharbeiter untersucht wurden, erschien POS oder NEG in Großbuchstaben auf dem Bildschirm der letzten Frau.“
    „Die Facharbeiter haben ihre Ergebnisse eingegeben? Drei Meinungen, um eine Diagnose zu bestätigen?“
    „Als Vorwand. In Wirklichkeit änderte die letzte Frau von anscheinend willkürlich ausgewählten Individuen die POS‘ in den Notizen in NEGs und die NEGs in POS‘ um. Bei manchen änderte sie nichts. Ich war fassungslos. Ich konnte nicht herausfinden, warum sie manche änderte und andere nicht. Als ich jedoch genau hinsah, bemerkte ich, dass in Kleinschrift unter jedem Namen bereits POS oder NEG vermerkt war. Im Grunde änderte die letzte Facharbeiterin die von den anderen drei Facharbeitern übermittelte Diagnose in das um, was schon in der Akte der entsprechenden Person vorgegeben war.“
    Leonard kniff die Augen zusammen. „Also stand schon vorher fest, wer ein positives und wer ein negatives Ergebnis bekommen würde und die letzte Facharbeiterin änderte die Daten, egal, was die drei anderen Facharbeiter am Fließband dachten zu sehen?“
    „Genau.“
    „Und der Rest des Teams wusste nichts davon?“
    „Vermutlich nicht.“
    „Aber wenn es gar kein Virus gibt, was haben die Facharbeiter dann auf den Objektträgern untersucht?“
    „Gute Frage. Ich ging leise durch das Labor, bis ich an dem Mann vorbeikam, der das Anfärbereagenz hinzufügte und die Objektträger vorbereitete. Er bemerkte mich und nickte mir zu. Da ich einen Arztkittel und ein Namensschild trug, kam ihm meine Anwesenheit nicht seltsam vor.
    Ich nahm ganz beiläufig einige Röhrchen des blauen Färbemittels in die Hand und betrachtete sie, indem ich sie gegen das Neonlicht an der Decke hielt. Zwei der Röhrchen schienen etwas dunkler zu sein als das dritte. Sehr dezent. Ich stellte sie wieder zurück und sah mir noch ein paar andere an. Ein Röhrchen war heller und eines dunkler. Ich steckte die beiden Röhrchen schnell ein und bewegte mich Richtung Ausgang… aber ich kam nicht weit.“
    Leonards Herz raste.
    „Die eingeweihte Frau sah durch die Lücke zwischen Facharbeiter Nummer vier und fünf und fragte schroff: ‚Entschuldigen Sie. Was machen Sie hier, Doktor , ähm…‘ Sie sprach das Wort Doktor in einem deutlich abfälligen Ton aus. ‚Marsch?‘, fügte sie hinzu, nachdem sie mein Namensschild begutachtet hatte.“
    „Warum war sie denn so abfällig? Ich hätte gedacht, dass man einem Doktor mehr Respekt entgegenbringen würde.“
    „Früher einmal. Aber in der Gesellschaft, in der wir heutzutage leben, ist ein sich verschwörender, Daten verfälschender Facharbeiter mehr wert als eine Thoraxchirurgin… und das wusste sie ganz genau.“
    „Was für ein Miststück. Zerstört ohne mit der Wimper zu zucken einfach so Menschenleben und verspottet dann auch noch jemanden, der Jahre seines Lebens aufgeopfert und studiert hat.“
    Alina zuckte teilnahmslos mit den Schultern und fuhr fort. „Also plapperte ich drauf los: ‚Ich mache mir nur Sorgen um einen meiner Patienten. Er wies ein ziemlich seltsames Verhalten auf.‘ Zu diesem Zeitpunkt hatten alle Facharbeiter bereits aufgehört, zu arbeiten und starrten mich an. Sie schienen Angst zu haben.“
    „Angst vor ihr oder vor dir?“
    „Vor der ganzen Situation würde ich sagen. Aber wie dem auch sei, die eingeweihte Frau fragte mich: ‚Wie heißt er?‘ Die Facharbeiter drehten ihre Köpfe zu ihr und starrten sie angespannt an, als ob sie jeden Moment völlig ausrasten könnte. ‚John Thompson‘, antwortete ich und bereute sofort, dass ich mir einfach irgendeinen Namen aus den Fingern gesaugt hatte.“
    „Wieso hast du das bereut?“
    „Weil“, sagte sie verzweifelt, „was ist, wenn es wirklich einen John Thompson unter diesen Proben gab? Mir wurde richtig übel bei der Vorstellung, dass ich vielleicht gerade das Leben von jemandem durch eine unachtsame Bemerkung zerstört hatte.“
    „Ich bin mir sicher, dass du nicht—“
    „Das ist jetzt unwichtig.“ Sie seufzte. „In dem Moment fing der Facharbeiter am Anfang der Reihe an, die Proben durchzusehen, die immer noch mit Namenschildchen versehen waren. Miss Verschwörerin lächelte höhnisch. ‚John Thompson? Wann ist sein Geburtsdatum?‘“
    „Sie wollte dich in die Pfanne hauen.“
    „Natürlich. Also stammelte ich vor mich hin: ‚Wissen Sie, ähm,

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