Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
Vom Netzwerk:
Anordnung ragte der Commander über seinen Untergebenen. Leonard rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her.
    Gelassen, als wenn er alle Zeit der Welt hätte, starrte Carlyle Leonard lediglich an, sodass dieser sich mit jeder Minute noch unbehaglicher fühlte. Jedoch kam Leonard zu dem Schluss, dass das Schweigen auch nur eine Art Spielchen war – ein Machtspielchen. Er konzentrierte sich auf die Absurdität dieser Strategie und entschloss sich, die Situation auszusitzen und sich zurückzuhalten. Wenn Carlyle spielen will, spielen wir eben, dachte er und korrigierte seine Haltung so, dass sie der des Commanders glich. Arme verschränkt, linker Fuß auf dem rechten Knie, harter Gesichtsausdruck. Leonard starrte den Commander an.
    Nach einigen Minuten fing Carlyle an zu grinsen. Er neigte den Kopf zur Seite und sah Leonard leicht vergnügt an. „Ziemlich anmaßend für jemanden, der gerade mit dem mächtigsten Mann auf dem Stützpunkt in einem Zimmer eingeschlossen ist, findest du nicht?“
    Leonard versuchte, so nüchtern wie möglich zu klingen und antwortete: „Sie haben mich herbestellt. Ich nehme an, Sie wollen etwas mit mir besprechen?“
    „Das will ich.“
    „Dann bitte, legen Sie los. Ich kann keine Gedanken lesen.“
    Der Commander stand auf und ging einen Schritt nach vorne. Leonard reckte seinen Hals, um Augenkontakt zu halten und versuchte gleichzeitig, Unnahbarkeit auszustrahlen. Als er merkte, dass es ihm nicht gelang, Leonard zu reizen, fing Carlyle an, gemächlich und selbstbewusst auf und ab zu gehen.
    „Die Leute sind besorgt, Leonard.“
    „Sind sie das?“, entgegnete Leonard leicht spöttisch.
    „Sollten sie das etwa nicht?“
    „Sagen Sie es mir.“
    Carlyle lachte. Er blieb stehen und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. „Sieh an, sieh an. Du willst das Ganze so – unglaublich – einfach machen.“
    Leonards Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen. Er räusperte sich und hoffte, dass man an seiner Stimme nicht erkannte, wie viel Angst er hatte. „Was will ich einfach machen, Chris?“
    Carlyle sah ihn finster an. „Lass uns bei Commander bleiben, okay, Tramer?“
    Leonard nickte betreten. Zum ersten Mal seit er beschlossen hatte, bei Carlyles Anstarrspielchen mitzumachen, sah Leonard weg. Offensichtlich war die gespielte Freundschaft zwischen ihnen nun vorbei. Außerdem schien Carlyle ihm auf der Spur zu sein. Vor nicht einmal einer Stunde wollte Leonard einfach möglichst unauffällig einen Weg finden, seine Verbindung zum Ortungssystem zu trennen. Und jetzt riss er dem Commander gegenüber den Mund viel zu weit auf. Das Blatt schien sich nicht zum Guten zu wenden.
    Was ist los?
    Hatte der Sicherheitsdienst entdeckt, dass sich Leonard in das WLN–System gehackt hatte? Das hätten Sie dann aber schon gestern bemerkt haben müssen. Vielleicht haben sie das. Oder ging es um Sandy? Dachten sie, er hatte etwas mit ihrem Tod zu tun? Es könnte alles Mögliche sein. Hatten sie ihn dabei erwischt, wie er die Daten für Max heruntergeladen hatte? Leonard wehrte sich gegen das Verlangen, seine linke Socke zu kontrollieren. Zu diesem Zeitpunkt gab es einfach so viele Möglichkeiten, dass ihm schummerig wurde. In der Hoffnung, wieder Kontrolle über die Unterhaltung zu bekommen, änderte Leonard seine Taktik. Unnahbar und übermütig zu sein, schien ihm hier nicht zu helfen. Er musste herausfinden, wie viel sie wussten.
    Leonard starrte auf den Boden und sagte vorsichtig: „Ich wusste nicht, dass es um Sandy Little so schlecht stand. Ich hätte sie gemeldet, wenn—“
    „Schwächliche Frauen interessieren mich nicht. Ehrlich gesagt schere ich mich einen Dreck um Sandy Little.“ Er verdrehte die Augen.
    Erstaunt erwiderte Leonard: „Das ist ein bisschen hart—“
    „Du schlägst besser einen etwas höflicheren Ton mit mir an, Tramer. Du brauchst mich. Ich bin momentan dein einziger Freund.“
    Freund? Wovon redet er?
    Überzeugt, dass die Angelegenheit nichts mit Sandy Little zu tun hatte, wägte Leonard die anderen Möglichkeiten ab. Er konnte keines der Themen ansprechen, weil er Carlyle damit sonst einen Hinweis gegeben hätte, also blieb er still und hoffte, dass dem Commander selbst etwas Nützliches herausrutschte.
    Carlyle fing wieder an, auf und ab zu gehen. „Ich habe einige Anrufe wegen deines Wutausbruchs in der Mittagspause bekommen.“
    „Wutausbruch? Oh, diese blöde Pausentante.“
    „Marge Simpleton.“
    Leonard zuckte kleinlaut mit den Schultern. „Gut

Weitere Kostenlose Bücher