Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
möglich, dass ich mich ein wenig an ihr abreagiert habe. Sie wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen. Nach der Sache mit Sandy… da hatte ich einfach keinen Appetit mehr.“
Ein hinterhältiges Grinsen machte sich auf Carlyles Gesicht breit. „Du legst ein ziemlich CARS–typisches Verhalten an den Tag.“ Während er sprach, starrte er Leonard, ohne mit den Augen zu blinzeln, an und hielt nach irgendeinem Zeichen der Beunruhigung Ausschau.
In diesem Moment wurde der Commander keineswegs enttäuscht, denn eine Schweißperle lief Leonards rechte Schläfe hinunter. Zitternd – er hoffte aber nicht sichtbar – versuchte er die einzelnen Informationsbrocken zusammenzusammeln. Es traf ihn plötzlich wie ein Schlag in den Magen. Es machte keinen Unterschied, was Carlyle und seine Leute gesehen hatten oder wussten. Wichtig war nur, dass sie überhaupt vermuteten, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht hatten sie nur einen leisen Verdacht und, außer dem Wutausbruch in der Mittagspause, nichts gegen ihn in der Hand. Aber das reichte schon. Carlyle könnte ihn zum GM schicken und einen CARS– Wiederholungstest anordnen. Niemand würde, nach der Sache mit dem Wutausbruch, auch nur mit der Wimper zucken.
Der Commander hatte recht.
Er ist momentan wirklich mein einziger Freund.
Leonard nahm tief Luft und versuchte ruhiger zu atmen. „Sir, es tut mir leid, dass ich Ms.… Simpleton verängstigt habe. Ich sollte mich wirklich bei ihr entschuldigen.“
„Nicht nötig.“
„Aber ich—“
„Versuch nicht, mich zu verarschen, Tramer.“ Carlyle marschierte auf ihn zu und zeigte mahnend mit dem Finger auf ihn. „Du führst irgendetwas im Schilde. Du bist angespannt. Nervös. Wütend.“
„Es—“
„Und komm mir jetzt bloß nicht mit dem Blödsinn, dass du um diese Little trauerst. Ich weiß verdammt gut, dass du dich einen Dreck um die Leute hier in der Abteilung scherst. Das hast du mir bei mehr als nur einer Gelegenheit deutlich gemacht.“
Leonard biss sich auf die Lippe und schloss die Augen.
„Das habe ich früher für eine bewundernswerte Charaktereigenschaft gehalten. Dachte, dass du ein Auge auf diese Schwachköpfe werfen würdest. Keine persönlichen Loyalitäten.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Aber irgendetwas hat dich in den letzten paar Wochen scheinbar beunruhigt. Ich dachte immer, Alina wäre das schwache Glied, aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher.“
„Glauben Sie wirklich, dass ich CARS habe?“, platzte Leonard heraus und wollte damit testen, ob Carlyle über den CARS–Schwindel Bescheid wusste.
Der Commander brach in schallendes Gelächter aus.
Er wusste Bescheid.
„Führ mich nicht in Versuchung, Tramer. Nur ein Knopfdruck genügt.“
Leonard drehte sich der Magen um. Es war vorbei. Es gab keinen Ausweg. Selbst wenn er irgendwo untertauchen würde, könnte ihn die Regierung innerhalb von Sekunden aufspüren. Seine Welt stürzte über ihm zusammen und er konnte nichts dagegen tun. Er konnte Natalia nicht vor der Vergewaltigung, die sie am Freitag erwartete, bewahren. Er konnte mit Alina nicht einfach abhauen. Kein Grand Junction. Keine freie Gemeinschaft. Nur die Klinik.
Ein unheimliches Lächeln machte sich auf den Lippen des Commanders breit. „Du siehst ein bisschen aufgewühlt aus, Tramer. Alles in Ordnung?“
Leonard versuchte sich zusammenzureißen und antwortete: „Natürlich.“
Carlyle nickte. „Also, warum erzählst du mir dann nicht, was los ist?“
Leonard drehte die Handflächen nach oben, um Verwirrung zu signalisieren.
„Was habt ihr beiden vor?“, fuhr Carlyle ihn an.
„Was hat wer vor?“
„Du und Alina. Was führt ihr im Schilde? Ihr habt gestern Nacht zu sehr später Stunde noch einen Spaziergang gemacht.“ Carlyle legte zwei Finger auf seine Lippen und lächelte. „Ihr seid zum Guilder–Projekt gegangen. Sehr eigenartig für jemanden, der seine Frau in den letzten Jahren kaum angefasst hat.“
Diese Bemerkung gab Leonard den Rest. Sie führten wirklich Protokoll darüber, wie oft er mit seiner Frau Sex hatte? Er sprang mit geballter Faust von seinem Stuhl auf. „Was zum Teufel wollen Sie damit sagen?“
Carlyle lachte. „Entspann dich. Entspann dich. Die Wächter verschwenden nicht ihre Zeit mit so was.“ Er räusperte sich. „Oder zumindest haben sie so viel Anstand, es nicht so detailliert in ihren Berichten zu erwähnen. Ich wollte dich nur testen. Gute Reaktion. Das war nur eine Vermutung, da du, seitdem ich dich
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