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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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mit dem Kopf gegen die Kante des Hitachi knallte, und jemand sagte Scheiße Scheiße Scheiße in den Staubgeruch des Teppichbodens. Mädchenstimme weg, kein Wüstenstern, die flüchtige Empfindung von kühlem Wind und glattgewaschenem Stein …
    Dann explodierte sein Kopf. Er sah es ganz klar, aus weiter Ferne. Wie eine Phosphorgranate.
    Weißes Licht.

4
    Stechuhr
    Der schwarze Honda schwebte zwanzig Meter über dem achteckigen Deck der aufgegebenen Ölbohrinsel. Der Morgen graute, und Turner konnte die verblichenen Umrisse eines Kleeblatts auf dem Hubschrauberlandeplatz ausmachen, das einen biologischen Gefahrenbereich kennzeichnete.

    »Habt ihr’n Biorisiko da unten, Conroy?«
    »Keins, das du nicht gewohnt wärst.«
    Eine Gestalt im roten Overall gab dem Honda-Piloten mit lebhaften Armbewegungen Zeichen. Der Luftstrudel der Rotoren wehte Verpackungsmüllfetzen ins Meer, als der Hubschrauber aufsetzte. Conroy löste sein Gurtschloss und beugte sich über Turner, um die Luke zu öffnen. Das Getöse der Motoren dröhnte ihnen in den Ohren, als die Luke aufging. Conroy stupste Turner an der Schulter und bedeutete ihm mit der nach oben gekehrten offenen Hand, sich zu beeilen. Er deutete auf den Piloten.
    Turner kletterte hastig hinaus und sprang hinunter, der Propeller über ihm ein verschwommenes, donnerndes Etwas, und schon stand Conroy geduckt neben ihm. Sie räumten das verblichene Kleeblatt im krummbeinigen Schweinsgalopp, wie auf Hubschrauberlandeplätzen üblich; im Wind des Honda flatterten ihnen die Hosenbeine um die Knöchel. Turner trug einen schlichten grauen Koffer aus kugelsicherem ABS, sein einziges Gepäckstück. Irgendwer hatte ihm den Koffer im Hotel gepackt, und er hatte schon auf der Tsushima bereitgestanden. Eine plötzliche Veränderung in der Tonhöhe der Rotoren verriet ihm, dass der Honda abhob. Er flog heulend Richtung Küste, ohne Licht. Als der Lärm verklang, hörte Turner das Geschrei von Möwen und das Rauschen und Plätschern des Pazifiks.
    »Irgendwer hat mal versucht, hier’n Datenparadies aufzuziehen«, sagte Conroy. »Internationales Gewässer. Damals lebte noch niemand im Orbit, also war’s für ein paar Jahre ganz sinnvoll.« Er ging auf einen rostigen Wald von Pfeilern zu, die die Aufbauten der Plattform trugen. »Hosaka hat sich ein Szenario ausgedacht, in dem wir Mitchell hierher holen, durchchecken, auf die Tsushima setzen und mit Volldampf ins alte Japan verschiffen. Hab ihnen gesagt, das sollten sie
mal lieber ganz schnell wieder vergessen. Wenn Maas das nämlich spitzkriegt, gehen die auf das Ding hier los mit allem, was sie haben. Hab ihnen erklärt, ihr Gelände im Distrito Federal wär die Lösung. Da würde Maas nicht so’nen Scheiß abziehen, nicht mitten in Mexico City.«
    Eine Gestalt, deren Kopf von den wulstigen Gläsern eines Bildverstärkers entstellt wurde, löste sich aus dem Schatten und winkte sie mit den stumpfen, dicht an dicht sitzenden Läufen eines Lansing-Flechette-Gewehrs vorwärts. »Biorisiko«, sagte Conroy, als sie die Gestalt passierten. »Zieh den Kopf ein! Und pass auf, die Stufen sind oft glitschig!«
     
    Auf der Plattform stank es nach Rost, Verfall und Salzwasser. Fenster gab es nicht. Sich ausbreitende Rostflecken verunzierten die ausgebleichten, cremefarbenen Wände. Batteriebetriebene Leuchtstofflampen hingen alle paar Meter von Deckenträgern und verbreiteten ein scheußliches, grünliches Licht, das intensiv und zugleich unangenehm ungleichmäßig war. Mindestens ein Dutzend Leute arbeiteten in diesem zentralen Raum; sie bewegten sich mit der lässigen Präzision guter Techniker. Profis, dachte Turner. Sie sahen einander kaum an, und es wurde wenig gesprochen. Es war kalt, saukalt, und Conroy hatte ihm einen riesigen, mit Schlaufen- und Reißverschlüssen überzogenen Parka gegeben.
    Ein bärtiger Mann in einer lammfellgefütterten Bomberjacke befestigte gebündelte Glasfaserstränge mit silbernem Klebeband an einem verbeulten Schott. Conroy diskutierte im Flüsterton mit einer Schwarzen, die den gleichen Parka wie Turner trug. Der bärtige Techniker schaute von seiner Arbeit auf und sah Turner. »Scheiße«, sagte er gedehnt, immer noch kniend. »Hab mir schon gedacht, dass es’ne dicke Sache ist, aber jetzt wird’s wohl auch’ne harte.« Er stand auf und wischte sich mechanisch die Hände an der Hose ab. Wie das
übrige technische Personal trug er Mikropor-OP-Handschuhe. »Du bist Turner.« Er grinste, warf einen kurzen Blick

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