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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Millionen Boxen, Musikfetzen, die der Wind herantrug und wieder verwehte.
    Two-a-Day redete nie darüber, wie und wo er lebte. Two-a-Day redete nur vom Geschäft oder – wenn er sich geselliger geben wollte – von Frauen. Was Two-a-Day über Frauen sagte, weckte bei Bobby mehr denn je den Wunsch, aus Barrytown zu verschwinden, aber er wusste, dass das Geschäft sein einziges Ticket nach draußen sein würde. Im Moment brauchte er den Dealer jedoch aus anderen Gründen, denn jetzt hing er total in der Luft.
    Vielleicht konnte er von Two-a-Day erfahren, was gespielt wurde. Eigentlich hätte es bei der Basis kein Killerzeug geben dürfen. Two-a-Day hatte sie für ihn ausgesucht und ihm dann die Software vermietet, die er brauchte, um reinzukommen. Und Two-a-Day war bereit, alles weiterzuverhökern, was er rausholen würde. Also musste Two-a-Day es wissen. Zumindest irgendwas musste er wissen.
    »Ich hab nicht mal deine Nummer, Mann«, sagte Bobby zu den Projects und ließ die Gardinen zufallen. Sollte er seiner Mutter was hinterlassen? Eine Nachricht? »Quatsch«, sagte er zu dem Zimmer hinter ihm, »nichts wie weg hier.« Und dann war er draußen auf dem Korridor, auf dem Weg zur Treppe. »Auf Nimmerwiedersehen«, setzte er hinzu und stieß eine Haustür auf.
    Big Playground sah ziemlich ungefährlich aus, bis auf einen einsamen Dustsüchtigen ohne Hemd, der in ein zorniges Zwiegespräch mit Gott vertieft war. Bobby machte einen weiten Bogen um den brüllenden, hüpfenden Duster, der mit Karatehieben die Luft zerteilte. Er hatte angetrocknetes Blut an den nackten Fußsohlen und die Reste einer Lobe-Frisur auf dem Kopf.
    Big Playground war neutrales Gebiet, zumindest theoretisch, und die Lobes waren lose mit den Gothicks verbündet.
Bobby unterhielt recht stabile Beziehungen zu den Gothicks, blieb dabei jedoch ein Indie, ein Unabhängiger. Barrytown war ein heißes Pflaster für Indies. Die Gangs gaben einem wenigstens eine gewisse Struktur, dachte er, als das wütende Gekeife des Dusters hinter ihm verklang. Wenn man ein Gothick war und von den Kasuals vermöbelt wurde, so war das nur logisch. Mochten die eigentlichen Motive auch völlig hirnrissig sein, es gab immerhin Regeln. Die Indies jedoch wurden von Dustern, die nur noch von ihrem Stammhirn geleitet wurden, und von durchziehenden, räuberischen Irren erledigt, die sogar noch von New York kamen – wie dieser Typ letzten Sommer, der Penissammler, der seine Beutestücke in einer Plastiktüte in der Tasche mit sich rumschleppte …
    Bobby hatte seit dem Tag seiner Geburt nach einer Chance gesucht, aus dieser Umgebung rauszukommen. Jedenfalls empfand er es so. Nun knallte ihm bei jedem Schritt das Cyberspace-Deck in der Rückentasche ins Kreuz, als wollte es ihn ebenfalls zur Flucht antreiben. »Komm schon, Two-a-Day«, sagte er zu den düster aufragenden Projects, »beweg deinen Arsch runter und sei im Leon’s, wenn ich hinkomme, okay?«
     
    Two-a-Day war nicht im Leon’s.
    Kein Mensch war da außer Leon selbst, der mit einer zurechtgebogenen Büroklammer das mysteriöse Innenleben eines Großbildkonverters erkundete.
    »Warum nimmste nicht einfach’nen Hammer und haust auf das Scheißding drauf, bis es geht?«, fragte Bobby. »Bringt so ziemlich das Gleiche.«
    Leon schaute von dem Konverter auf. Er mochte Mitte vierzig sein, aber das war schwer zu sagen. Er schien keiner bestimmten Rasse anzugehören oder in mancherlei Hinsicht einer Rasse, der kein anderer angehörte. Massenweise hypertrophe Gesichtsknochen und eine lockige, stumpfe schwarze
Mähne. Sein Piratenclub im Keller war seit zwei Jahren eine feste Institution in Bobbys Leben.
    Leon starrte Bobby mit seinen verunsichernden Augen dumpf an. Über den perlmuttgrauen Pupillen lag ein feiner olivgrüner Schimmer. Bei Leons Augen musste Bobby immer wieder an Muscheln und Nagellack denken, zwei Dinge, an die er in Verbindung mit Augen nicht sonderlich gern dachte. Die Farbe erinnerte ihn an ein Material, mit dem man Barhocker bezog.
    »Ich mein nur, so’n Teil kriegt man nicht wieder hin, wenn man drin rumstochert«, fügte Bobby verlegen hinzu.
    Leon schüttelte langsam den Kopf und widmete sich wieder seiner Untersuchung. Die Leute zahlten bei ihm Eintritt, weil er Kino und Simstim vom Kabel abzapfte und vieles vorführte, was sich Barrytowner sonst nicht leisten konnten. Hinten wurde gedealt, und man konnte »spenden« für seine Drinks, meist Fusel aus Ohio mit synthetischem Orangengesöff, das Leon

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