Neuromancer-Trilogie
konstitutionell außerstande, es zu wissen ; Virek zu fragen wäre so, als wollte man von einem Fisch etwas über Wasser erfahren. Ja, meine Liebe, es ist nass;
ja, mein Kind, es ist warm, wohlriechend und flauschig. Sie stieg in die Badewanne und legte sich hinein.
Morgen würde sie sich die Haare schneiden lassen. In Paris.
Andreas Telefon läutete sechzehnmal, bevor Marly das Sonderprogramm einfiel. Es war bestimmt noch zugeschaltet, und das teure kleine Brüsseler Hotel stand nicht auf der Liste. Sie beugte sich vor und stellte das Telefon wieder auf den Marmortisch. Es läutete einmal leise.
»Ein Bote hat ein Paket von der Galerie Duperey für Sie abgegeben.«
Als der Page – diesmal ein jüngerer Mann, ein dunkler Typ, vielleicht Spanier – gegangen war, trug sie das Paket zum Fenster und drehte es hin und her. Es war in einen einzelnen Bogen eines handgeschöpften, dunkelgrauen Papiers eingepackt, das auf jene mysteriöse japanische Art gefaltet und ineinandergesteckt war, die ohne Bänder und Kleber hielt, aber sie wusste, dass sie es nie mehr so hinkriegen würde, wenn sie es einmal geöffnet hatte. Name und Anschrift der Galerie waren in einer Ecke aufgeprägt, und ihr Name sowie der Name ihres Hotels standen in einer wunderschönen Schreibschrift in der Mitte.
Sie faltete das Papier auseinander und hielt schließlich einen neuen Braun-Holoprojektor und eine dünne Klarsichthülle in der Hand. Die Klarsichthülle enthielt sieben numerierte Holofiches. Hinter dem eisernen Miniaturbalkon ging die Sonne unter und tauchte die Altstadt in goldenes Licht. Sie hörte Autos hupen und Kinder schreien. Sie schloss das Fenster und ging zum Schreibtisch. Der Braun war ein glatter schwarzer Kasten, der durch Solarzellen mit Strom versorgt wurde. Sie prüfte den Ladezustand, nahm das erste Holofiche aus der Hülle und legte es ein.
Der Kasten, den sie in Vireks Simulation des Park Güell gesehen hatte, erstrahlte über dem Braun mit der kristallklaren Auflösung der besten museumstauglichen Hologramme. Knochen und Goldschaltungen, alte Spitze und eine matte weiße Murmel aus Ton. Marly schüttelte den Kopf. Wie war es möglich, dass jemand aus solchem Zeug, solchem Plunder ein Arrangement zaubern konnte, das sich wie ein Angelhaken in Herz und Seele festsetzte? Aber dann nickte sie. Es war möglich, das wusste sie; vor vielen Jahren schon hatte es ein Mann namens Cornell vollbracht, der ebenfalls Kästen machte.
Dann blickte sie nach links, wo das elegante graue Papier auf dem Schreibtisch lag. Sie hatte dieses Hotel zufällig gewählt, als sie vom Einkaufen müde war. Sie hatte niemandem gesagt, dass sie hier wohnte, und erst recht niemandem von der Galerie Duperey.
6
Barrytown
Der Uhr am Hitachi seiner Mutter zufolge war er rund acht Stunden weggetreten. Als er zu sich kam, starrte er auf die staubige Front des Geräts und spürte etwas Hartes unter seinem Oberschenkel. Der Ono-Sendai. Er rollte zur Seite. Es roch nach alter Kotze.
Dann stand er unter der Dusche, ohne recht zu wissen, wie er da hingekommen war, und drehte den Hahn auf, obwohl er noch seine ganzen Sachen anhatte. Er kratzte, bohrte und zerrte an seinem Gesicht. Es war wie eine Gummimaske.
»Irgendwas ist passiert.« Etwas Bedeutsames, Schlimmes; was, wusste er nicht genau.
Seine nassen Klamotten türmten sich nach und nach auf dem Fliesenboden der Dusche. Schließlich kam er heraus, ging zum Waschbecken, schüttelte sich die nassen Haare nach
hinten aus dem Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Bobby Newmark, kein Problem.
»O doch, Bobby. Problem. Du hast’n Problem …«
Mit dem Handtuch um die Schultern folgte er triefend dem schmalen Flur in sein Zimmer, ein winziges, keilförmiges Kämmerchen im hintersten Winkel der Wohnung. Sein Holoporno-Gerät ging an, als er eintrat. Ein halbes Dutzend Girls lächelten ihn an und beäugten ihn mit offensichtlichem Wohlgefallen. Sie schienen in dunstigen, taubenblauen Raumperspektiven jenseits der Zimmerwände zu stehen, ihr strahlendes Lächeln und ihre straffen jungen Körper hell wie Neon. Zwei der Girls traten vor und begannen, an sich herumzufummeln.
»Lasst das«, sagte er.
Der Projektor schaltete sich auf seinen Befehl hin aus; die Traumgirls lösten sich auf. Die Kiste hatte ursprünglich Ling Warrens älterem Bruder gehört. Die Frisuren und Klamotten der Girls waren aus der Mode und wirkten ein bisschen lächerlich. Man konnte mit ihnen reden und sie auffordern, an sich
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