Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
entschuldigen und einfach abzubrechen, bevor er seine Forderungen gestellt
hatte«, sagte sie stirnrunzelnd. »Er denkt vielleicht, er hätte einen Riecher für dramatische Momente.«
    »Ihm ist gar nichts anderes übriggeblieben«, erklärte Paco. »Wir haben eine Störung verursacht, so dass er geglaubt hat, die Stromversorgung seines Mikrofons wäre ausgefallen. Damit war ein Gang zu den Hommes fällig. In der Kabine hat er wüst über dich geschimpft.«
    Sie deutete auf ihr leeres Glas, als ein Kellner vorbeikam. »Ich weiß noch immer nicht so recht, was für eine Rolle ich bei der Sache spiele, worin mein Wert besteht. Für Virek, meine ich.«
    »Das darfst du mich nicht fragen. Du bist hier die Philosophin. Ich führe lediglich Señors Befehle aus – nach besten Kräften.«
    »Möchtest du einen Brandy, Paco? Oder lieber einen Kaffee?«
    »Die Franzosen«, sagte er voller Überzeugung, »verstehen nichts von Kaffee.«

13
    Mit beiden Händen
    »Kannste das vielleicht noch mal wiederholen?«, fragte Bobby, den Mund voller Reis mit Ei. »Hast du nicht gerade gesagt, es wär keine Religion?«
    Beauvoir nahm das Brillengestell ab und schaute an einem der Bügel entlang. »O nein. Ich hab nur gesagt, du brauchtest dir keine Gedanken darüber zu machen, ob es eine Religion ist oder nicht, das ist alles. Es ist einfach eine Struktur , mit deren Hilfe wir über ein paar Vorgänge sprechen können, denn sonst hätten wir keine Worte, keine Begriffe dafür.«
    »Aber du redest wie diese, wie hast du sie noch gleich genannt, Lohrs oder so …«

    »Loa«, verbesserte Beauvoir und warf die Brille auf den Tisch. Er seufzte, nahm eine chinesische Zigarette aus Two-a-Days Packung und steckte sie sich mit dem Totenkopf aus Zinn an. »Plural und Singular sind gleich.« Er inhalierte tief und stieß den Rauch durch die geblähten Nasenlöcher aus. »Wenn du an Religion denkst, was genau fällt dir dann dazu ein?«
    »Na ja, also die Schwester meiner Mutter, die ist Scientologin, voll orthodox, verstehste. Und direkt gegenüber wohnt eine Frau, die ist Katholikin. Meine Alte« – Bobby hielt inne, weil das Essen in seinem Mund jeden Geschmack verloren hatte – »die hat manchmal so Hologramme aufgehängt in meinem Zimmer, Jesus oder Hubbard oder so Scheiß. Solche Sachen fallen mir dazu ein, schätze ich.«
    »Voodoo ist anders«, sagte Beauvoir. »Da geht’s nicht um Erlösung und Transzendenz, sondern darum, irgendwas geregelt zu kriegen. Kannst du mir folgen? In unserem System gibt es viele Götter und Geister. Die gehören mit ihren ganzen Tugenden und Lastern alle zu einer großen Familie. Wir haben eine Tradition von Ritualen, bei denen sie sich in ihrer Gemeinde manifestieren, weißt du. Im Voodoo gibt es Gott, klar, Gran Mait’, aber der ist groß, zu groß und zu weit weg, um sich drum zu kümmern, ob du ein armes Schwein bist oder deine Braut dich nicht ranlässt. Na ja, Mann, du weißt ja, wie so was läuft, ist’ne Religion der Straße , die vor’ner Ewigkeit in Armut und Schmutz entstanden ist. Voodoo ist wie die Straße. Wenn ein Duster deine Schwester kaltmacht, dann kampierst du nicht auf der Türschwelle der Yakuza, oder? Garantiert nicht. Du gehst zu einem, der die Sache regeln kann. Hab ich Recht?«
    Bobby nickte und kaute nachdenklich. Ein weiteres Derm und zwei Gläser Rotwein hatten ihm ziemlich gutgetan, und der Breitschultrige hatte mit Two-a-Day einen Spaziergang
unter den Bäumen und den fluoreszierenden Mikadostäbchen gemacht, während Beauvoir bei Bobby geblieben war. Dann war die gut gelaunte Jackie mit einer großen Schale von diesem Reis-mit-Ei-Zeug aufgetaucht, das gar nicht so schlecht schmeckte, und als sie die Schale vor ihm auf den Tisch stellte, hatte sie ihm eine Titte an die Schulter gedrückt.
    »Also«, sagte Beauvoir, »wir sind daran interessiert, irgendwas geregelt zu kriegen. Wir interessieren uns für Systeme, wenn du so willst. Genau wie du. Zumindest ist das dein Wunsch, sonst wärst du kein Cowboy mit Künstlernamen, stimmt’s?« Er versenkte den Zigarettenstummel in einem halbvollen, mit fettigen Fingerabdrücken überzogenen Rotweinglas. »Anscheinend wollte Two-a-Day grade’ne kleine Party starten, als die ganze Scheiße hochgegangen ist.«
    »Was für’ne Scheiße?«, fragte Bobby und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
    »Du«, sagte Beauvoir stirnrunzelnd. »Was nicht heißt, dass du was dafür kannst, auch wenn Two-a-Day es so hinstellen will.«
    »So,

Weitere Kostenlose Bücher