Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
wieder in seinen Sessel zurück. »Ich glaub nicht, dass man sie richtig zu sehen kriegt, wenn man nicht in der Sache mit drinsteckt.« Er trommelte mit den Fingern auf die Armlehne. »Glaubst du, die sind echt?«
    »Tja, also, ich würd mich jedenfalls nicht mit denen anlegen wollen …«
    Jammer sah ihn an. »So? Vielleicht biste doch schlauer, als du aussiehst. Ich würd mich auch nicht mit so jemand anlegen wollen. Ich bin aus dem Spiel ausgestiegen, bevor die aufgetaucht sind …«
    »Und wofür hältst du sie nun?«
    »Ah, du wirst immer schlauer … Also, ich weiß nicht. Wie gesagt, ich kann nicht recht glauben, dass es’n Haufen haitianischer Voodoo-Götter sind, aber wer weiß?« Jammer kniff die Augen zusammen. »Könnte sein, dass es Virusprogramme sind, die sich in der Matrix verselbstständigt und reproduziert haben und richtig intelligent geworden sind … Das wär schon beängstigend genug. Vielleicht wollen die Turing-Leute das unterm Teppich halten. Oder vielleicht haben die KIs eine Möglichkeit gefunden, Teile von sich in die Matrix abzuspalten, was die Turings in den Wahnsinn treiben würde. Ich kannte da mal so’nen Tibetaner, der Hardware für die Jockeys konstruiert hat, und der sagte, es sind Tulpas.«
    Bobby blinzelte.
    »Ein Tulpa ist eine Gedankenform oder so. Aberglaube. Die richtigen Asse können einen Geistkörper abspalten, der aus
negativer Energie besteht.« Jammer zuckte mit den Achseln. »Auch so’n Scheiß. Wie Jackies Voodoo-Typen.«
    »Also, ich hab den Eindruck, dass Lucas und Beauvoir sich jedenfalls so benehmen, als wär das alles hundertpro echt und nicht bloß Theater.«
    Jammer nickte. »Du sagst es. Und es hat für sie selber auch verdammt viel abgeworfen, also steckt wirklich was dahinter.« Er gähnte. »Ich geh auch schlafen. Du kannst tun, was du willst, aber Finger weg von meinem Deck. Und versuch nicht, rauszugehen, denn dann kreischen zehn verschiedene Alarmsysteme los. Im Kühlschrank hinterm Tresen sind Saft und Käse und so …«
     
    Jetzt, wo Bobby den Club für sich allein hatte, fand er ihn zwar immer noch unheimlich, aber auch so interessant, dass er die leichte Beklemmung dafür gern in Kauf nahm. Er schlenderte hinterm Tresen auf und ab und strich über die Bierzapfhähne und die verchromten Tüllen auf den Flaschen. Da war eine Maschine, die Eis machte, und eine andere, die kochendes Wasser spendete. Er goss sich eine Tasse japanischen Instantkaffee auf und kramte in Jammers Musiksammlung. Die Bands und Musiker waren ihm allesamt unbekannt. Er fragte sich, ob das bedeutete, dass Jammer seinem Alter gemäß auf alte Sachen stand, oder ob es brandneue Titel waren, die frühestens in zwei Wochen – vermutlich über das Leon’s – nach Barrytown vordringen würden. Unter der schwarzsilbernen Universal-Kreditkonsole am Ende des Tresens entdeckte er eine Knarre, eine dicke, kleine Maschinenpistole, bei der das Magazin unten aus dem Griff ragte. Sie war mit limonengrünem Klettband unterm Tresen befestigt. Bobby ließ lieber die Finger davon. Nach einer Weile war die Beklemmung weg; nun verspürte er eher eine gewisse kribbelige Langeweile. Er nahm seinen Kaffee, der allmählich kalt wurde, und ging damit zum
Sitzbereich hinüber. Er setzte sich an einen der Tische und tat so, als wäre er Count Zero, der größte Konsolencrack im Sprawl, und würde auf ein paar Typen warten, um mit ihnen über einen Deal zu sprechen, einen Run, den sie durchgeführt haben wollten und zu dem niemand außer dem Count auch nur annähernd in der Lage wäre. »Klar«, sagte er mit schwerlidrigen Augen zum leeren Nightclub, »ich zieh das Ding für euch durch – falls ihr die Kohle habt …« Sie erblassten, als er ihnen seinen Preis nannte.
    Der Laden war schalldicht; man hörte nichts von dem geschäftigen Treiben an den Ständen im vierzehnten Stock, nur das Summen einer Klimaanlage und das gelegentliche Gluckern des Heißwasserbereiters. Bobby, der es müde geworden war, den mächtigen Count zu spielen, ließ den Kaffee auf dem Tisch stehen und schlenderte zum Eingangsbereich, wobei er die Hand an einem mit Samt bezogenen und mit Schaumstoff umhüllten alten Seil entlanggleiten ließ, das zwischen glänzenden Messingständern hing. Sorgfältig darauf bedacht, die Glastüren selber nicht zu berühren, setzte er sich am Garderobenfenster auf einen billigen Stahlrohrhocker, dessen Kunstlederpolster mit Klebeband geflickt war. In der Garderobe brannte eine trübe Glühlampe;

Weitere Kostenlose Bücher