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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Insel wird heute Nachmittag allerdings bei uns bleiben. Ich wollte ihn schon lange kennenlernen und bin sicher, Sie werden angenehm überrascht sein, zumal er normalerweise ein medienscheuer Mensch ist …« Sie richtete sich auf, drehte sich um und lächelte in das sonnengebräunte, lächelnde Gesicht von Josef Virek.
    Marly riss sich die Troden von der Stirn, und das weiße Plastik des JAL-Shuttle kam ringsum schlagartig wieder zurück. Warnleuchten blinkten an der Konsole über ihr, und sie spürte eine Vibration, die allmählich anzusteigen schien.
    Virek? Sie schaute auf das Troden-Set. »Tja«, sagte sie, »ich schätze, du gehörst wirklich zu den oberen Zehntausend …«
    »Pardon?« Der japanische Student neben ihr machte in seinem Gurt eine seltsame Bewegung, die einer kleinen Verbeugung gleichkam. »Haben Sie Probleme mit dem Stim?«
    »Nein, nein«, sagte sie. »Entschuldigung.« Sie setzte sich die Troden wieder auf, und das Innere des Shuttles zerfloss in sensorischem Schneegestöber, einem durchdringenden Mischmasch von Wahrnehmungen, das abrupt der anmutigen Gelassenheit von Tally Isham wich; sie hatte Vireks kühle, feste Hand ergriffen und lächelte in seine sanften blauen Augen. Virek erwiderte das Lächeln.
    Seine Zähne waren strahlend weiß. »Ich freue mich, hier zu sein, Tally«, sagte er, und Marly ließ sich in die Realität der Aufnahmen fallen und akzeptierte Tallys gespeicherte Sinneswahrnehmungen als ihre eigenen. Simstim war ein Medium, das Marly normalerweise mied, weil ein Teil ihrer Persönlichkeit nicht mit der Passivität zurechtkam, die es verlangte.

    Virek trug ein weiches weißes Hemd, eine bis zu den Knien hochgekrempelte Segeltuchhose und sehr schlichte braune Ledersandalen. Tally kehrte zur Balustrade zurück, ohne seine Hand loszulassen. »Unser Publikum möchte bestimmt vieles …«
    Das Meer war verschwunden. Eine holprige Ebene mit grünschwarzer Vegetation, die an Flechten erinnerte, erstreckte sich bis zum Horizont, unterbrochen von den neugotischen Türmen von Gaudis Kirche der Sagrada Familia. Der Rand der Welt verlor sich in tiefhängendem, hellem Nebel, und ein Geläut wie von Unterwasserglocken klang über die Ebene.
    »Ihr Publikum besteht heute nur aus einer Person«, sagte Virek und sah Tally Isham durch seine runde, randlose Brille an. »Hallo, Marly.«
    Marly wollte nach den Troden greifen, aber ihre Arme waren wie Blei. Der Beschleunigungsandruck. Das Shuttle hob gerade ab … Er hatte sie in die Falle gelockt …
    »Ich verstehe«, sagte Tally lächelnd und lehnte sich an die Balustrade zurück, die Ellbogen auf dem warmen, rauen Stein. »Was für eine reizende Idee. Ihre Marly, Herr Virek, muss wirklich ein Glückspilz sein …« Und auf einmal begriff Marly, dass dies nicht die Tally Isham von Sense/Net war, sondern ein Bestandteil von Vireks Konstruktion, eine programmierte Perspektive, aus vielen Jahren der Oberen Zehntausend zusammengebaut, und dass ihr selbst jetzt keine andere Wahl blieb, als es hinzunehmen, zuzuhören und Virek ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Die Tatsache, dass er sie hier erwischt, hier festgenagelt hatte, bewies, dass ihre Intuition richtig gewesen war: Der Apparat, die Struktur, das war wirklich vorhanden. Vireks Geld war eine Art Universallösungsmittel, das alle Schranken, die seinem Willen gesetzt waren, auflöste.
    »Ich höre mit Bedauern, dass Sie verärgert sind«, sagte er. »Paco meint, Sie fliehen vor uns, aber ich sehe darin lieber das
Bestreben der Künstlerin, ihr Ziel zu erreichen. Ich glaube, Sie haben etwas vom Wesen meiner psychischen Gestalt erahnt, und das hat Ihnen Angst gemacht. Das sollte es auch. Diese Kassette ist eine Stunde vor dem planmäßigen Start Ihres Shuttles in Orly angefertigt worden. Wir wissen natürlich, wohin Ihre Reise geht, aber ich habe nicht die Absicht, Ihnen zu folgen. Sie tun Ihren Job, Marly. Ich bedaure nur, dass wir den Tod Ihres Freundes Alain nicht verhindern konnten. Mittlerweile wissen wir jedoch, wer seine Mörder sind und wer sie beauftragt hat.«
    Tally Ishams Augen waren nun Marlys Augen, und sie blickten fest in die Vireks, in denen ein blaues Feuer brannte.
    »Alain wurde im Auftrag von Maas Biolabs ermordet«, fuhr er fort. »Maas gab ihm sowohl die Koordinaten Ihres gegenwärtigen Ziels als auch das Hologramm, das Sie sahen. Meine Beziehung zu Maas Biolabs war, gelinde gesagt, ambivalent. Vor zwei Jahren habe ich über eine Tochtergesellschaft versucht, das Unternehmen

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