Neuromancer-Trilogie
zusammen. »Schon mal so ein Scheißding gesehn? Südafrika, vor dem Krieg …« Etwas in seiner Stimme und an dem Zug um seinen Mund ließ Bobby plötzlich seinen gebändigten Zorn erkennen. »Anscheinend ist irgendein Kerl an Raymond rangetreten. Hat Kohle wie Heu, der Bursche, und will alle Gothicks anheuern, den ganzen Apparat, um im Sprawl’ne große Show abzuziehen, einen richtigen Massenauflauf. So groß, dass er auch die Kasuals dabeihaben will. Damit war die Kacke dann so richtig am Dampfen, denn Alix ist irgendwie konservativ. Nur ein toter Kasual ist ein guter, aber auch nur nach x Stunden Folter und so weiter. ›Hör auf mit dem Scheiß‹, sagt Raymond, diplomatisch wie immer. ›Ich rede vom großen Geld. Von’nem Multi, Mann.‹« Beauvoir öffnete eine Schachtel mit dicken roten Plastikpatronen und fing an, das Gewehr zu laden, indem er sie nacheinander ins Magazin stopfte. »Kann natürlich sein, dass ich total danebenliege, aber in letzter Zeit seh ich dauernd diese PR-Typen von Maas Biolabs im Fernsehen. Da ist was ganz Komisches passiert, auf ihrem Gelände in Arizona. Die einen sagen, es war’ne Atombombe, die andern sagen, es war was anderes. Und jetzt behaupten die Maas-Leute, ihr führender Biosoft-Mann sei tot.
Soll angeblich’n Unfall gewesen sein, der nichts mit der Sache tun hat. Der Bursche heißt Mitchell, und er hat das Zeug mehr oder weniger erfunden. Bislang gibt es keinen andern, der auch nur von sich behauptet, einen Biochip herstellen zu können, also haben Lucas und ich von Anfang an angenommen, dass Maas den Eisbrecher produziert hat. Falls es ein Eisbrecher war … Aber wir hatten keine Ahnung, von wem der Finne das Ding hatte und woher es wiederum seine Zulieferer hatten. Doch wenn man alles zusammennimmt, sieht’s ganz danach aus, als ob Maas Biolabs uns in die Pfanne hauen will. Und zwar hier, weil sie uns hier so richtig schön im Sack haben.«
»Ich weiß nicht«, sagte Jammer, »wir haben’ne Menge Freunde in diesem Haus …«
»Hatten.« Beauvoir legte die Schrotflinte aus der Hand und fing an, eine Nambu Automatic zu laden. »Die meisten Stände auf dieser Etage und der Etage drunter wurden heute Nachmittag per Ablöse übernommen. Bar auf die Kralle. Säckeweise. Ein paar Standhafte sind übrig geblieben, aber nicht genug.«
»Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, sagte Jackie, die Jammer das Glas aus der Hand nahm und den Scotch hinunterkippte. »Was wär bei uns schon zu holen?«
»He«, sagte Bobby, »vergiss nicht, die wissen wahrscheinlich gar nicht, dass mir die Lobes den Eisbrecher abgeknöpft haben. Vielleicht sind sie nur hinter dem her.«
»Nein«, sagte Beauvoir und legte das Magazin in die Nambu ein, »denn sie hätten nicht wissen können, dass du ihn nicht in der Wohnung deiner Mutter gelassen hast, hab ich Recht?«
»Vielleicht sind sie ja dagewesen und haben nachgeschaut.«
»Und wie konnten sie wissen, dass Lucas ihn nicht im Ahmed dabeihatte?«, sagte Jammer und ging wieder zum Tresen.
»Der Finne hat auch gedacht, jemand hätte ihm die drei Ninjas auf den Hals gehetzt, um ihn kaltzumachen«, erklärte Bobby. »Aber er meinte, sie hätten Sachen dabeigehabt, um ihn vorher noch zum Reden zu bringen.«
»Auch wieder Maas«, sagte Beauvoir. »Wer auch immer, so ist die Sache mit den Kasuals und den Gothicks gelaufen. Wir würden mehr wissen, aber Alix der Lobe hat sich aufs hohe Ross gesetzt und wollte nicht mit Raymond verhandeln. Keine gemeinsame Sache mit den verhassten Kasuals. Soweit unsere Cowboys das rauskriegen konnten, ist draußen dieses Heer aufgezogen, damit ihr nicht rauskönnt. Und damit Leute wie ich nicht reinkönnen. Leute mit Waffen und so.« Er reichte Jackie die geladene Nambu. »Kannst du mit einem Schießeisen umgehen?«, fragte er Bobby.
»Klar«, log Bobby.
»Nein«, sagte Jammer, »wir haben auch so schon genug Ärger, ohne dass der noch’ne Knarre kriegt. Herrgott …«
»Für mich deutet das alles darauf hin«, sagte Beauvoir, »dass jemand anders reinkommt, um uns auszuschalten. Davon können wir ausgehen. Und zwar jemand, der ein bisschen professioneller ist.«
»Es sei denn, sie jagen einfach den ganzen Hypermarkt in die Luft«, sagte Jammer, »mitsamt diesen Zombies.«
»Glaub ich nicht«, meinte Bobby, »sonst hätten sie’s längst getan.«
Sie starrten ihn alle an.
»Eins muss man dem Jungen lassen«, sagte Jackie. »Er hat vollkommen Recht.«
Eine halbe Stunde später. Jammer starrte
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