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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Rez sympathisch, die hart und mädchenhaft zugleich war und sich bestens um ihren seltsamen Passagier kümmerte. Rez hatte ihre Lederjacke und ihre Handtasche bewundert, bevor sie beides zu einem Bündel zusammengelegt und in einer Art Hängematte verstaut hatte, einem schmalen Nylonnetz, das bereits mit Tapes, gedruckten Büchern und Schmutzwäsche vollgestopft war.
    »Ich weiß nicht«, brachte Marly über die Lippen. »Ich muss einfach versuchen, da reinzukommen.«
    »Weißt du überhaupt, was das für’n Ding ist, Schwester?« Rez zurrte das g-Netz um Marlys Schultern und Achselhöhlen fest.
    »Welches Ding?«
    »Wohin wir fliegen. Ist einer der alten Kerne von Tessier-Ashpool. Das waren mal die Mainframes für ihre Datenspeicher.«

    »Von denen hab ich schon mal gehört«, sagte Marly und schloss die Augen. »Andrea hat mir von ihnen erzählt.«
    »Klar, von denen hat jeder schon gehört. Waren damals die Besitzer von ganz Freeside. Haben es sogar gebaut. Dann ist ihnen die Luft aus den Titten und sie haben alles verkauft. Haben das Heim der Familie von der Spindel abtrennen und in einen andern Orbit schleppen lassen, vorher aber noch die Kerne gelöscht, abgefackelt und an einen Schrotthändler verhökert. Der Schrotthändler hat nie was mit den Dingern gemacht. Ich hör zum ersten Mal, dass sich da jemand eingenistet hat, aber hier lebt man eben, wo man kann … Na ja, das tut ja wohl jeder. Angeblich sitzt Lady Jane, die Tochter des alten Ashpool, noch immer in der alten Bude und ist total durchgeknallt.« Rez zog mit einer letzten gekonnten Bewegung das g-Netz zurecht. »Okay. Schön locker bleiben. Ich geb zwanzig Minuten lang richtig Stoff, aber dafür sind wir dann auch schnell da. Und dafür bezahlst du mich ja wohl.«
    Und Marly glitt wieder in eine Landschaft, die ganz aus Kästen gebaut war, riesigen, hölzernen Cornell-Kästen, hinter deren regennassen, staubigen Scheiben die festen Rückstände von Liebe und Erinnerung ausgestellt waren, und die Gestalt des geheimnisvollen Kastenmachers floh vor ihr durch Straßen, die mit Mosaiken aus menschlichen Zähnen gepflastert waren, und ihre Pariser Stiefel klapperten blind über Symbole aus matten Goldkronen hinweg. Der Kastenmacher war ein Mann; er trug Alains grüne Jacke und fürchtete Marly mehr als alles andere. »Tut mir leid«, rief sie, während sie hinter ihm herrannte, »tut mir leid …«
     
    »Ja. Therèse Lorenz von der Sweet Jane . Du willst die Nummern? Was? Ja klar sind wir Piraten. Ich bin Käpt’n Hook … Hör zu, Jack, ich geb dir die Nummern, und du kannst sie nachprüfen … Wie gesagt. Ich hab einen Passagier. Erbitte Erlaubnis
und so weiter, blabla. Eine Marly Soundso, redet Französisch im Schlaf …«
    Marlys Lider zuckten, gingen auf. Rez hing vor ihr im Netz. Jeder kleine Rückenmuskel zeichnete sich exakt ab. »He«, sagte Rez und drehte sich im Netz um. »Tut mir leid. Hab wegen dir Kontakt mit ihnen aufgenommen, aber die kommen mir ziemlich überkandidelt vor. Bist du irgendwie religiös?«
    »Nein«, sagte Marly verblüfft.
    Rez verzog das Gesicht. »Na, ich hoffe, du kannst mit dem Quatsch was anfangen.« Sie schlüpfte aus dem Netz und vollführte auf engstem Raum einen Salto rückwärts, der sie ganz nah vor Marlys Gesicht brachte. Ein Glasfaserkabel führte von ihrer Hand zum Steuerpult, und zum ersten Mal sah Marly die feine, himmelblaue Buchse, die bündig mit der Haut in ihr Handgelenk eingesetzt war. Sie drückte Marly einen Lautsprecherknopf ins rechte Ohr und bog das transparente Rohr mit dem Mikro zurecht, das sich von dem Knopf aus nach unten krümmte.
    »Ihr habt kein Recht, uns hier zu stören«, sagte eine männliche Stimme. »Unser Werk ist das Werk Gottes, und wir allein haben sein wahres Gesicht geschaut!«
    »Hallo? Hallo, können Sie mich hören? Hier ist Marly Kruschkowa, und ich habe eine dringende Nachricht für Sie. Oder für jemand mit diesen Koordinaten. Es geht um eine Serie von Kästen, Collagen. Der Schöpfer dieser Kästen schwebt womöglich in größter Gefahr! Ich muss mit ihm sprechen!«
    »In Gefahr?« Der Mann hustete. »Gott allein bestimmt die Geschicke des Menschen! Wir fürchten uns vor nichts. Aber wir sind auch keine Narren …«
    »Bitte hören Sie mir zu. Josef Virek hat mich beauftragt, den Schöpfer der Kästen zu finden. Aber nun bin ich gekommen, um Sie zu warnen. Virek weiß, dass Sie hier sind, und
seine Agenten werden mir folgen.« Rez sah sie mit großen Augen an. »Sie

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