Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
hinterlassen wollen, dann tun Sie’s schon.«
    Bobby starrte das Bild auf dem Monitor an und schüttelte langsam den Kopf. Die meisten Telefonprogramme enthielten kosmetische Video-Subprogramme, die das Videobild des Inhabers in größere Übereinstimmung mit den gängigen Vorstellungen von persönlicher Schönheit bringen sollten, indem sie Pickel wegretuschierten und die Gesichtsform dezent dem statistischen Ideal anglichen. Die Wirkung, die das kosmetische Programm auf das groteske Gesicht des Finnen ausübte, war mit Sicherheit das Merkwürdigste, was Bobby je vor Augen gekommen war: als hätte jemand das Gesicht einer toten Taschenratte mit der ganzen Palette der Abdeckstifte eines Leichenbestatters und mit Paraffin-Injektionen bearbeitet.
    »Sieht ja echt abartig aus«, sagte Jammer und trank noch einen Schluck Whisky.
    Bobby nickte.
    »Der Finne hat Platzangst«, sagte Jammer. »Kriegt’ne Gänsehaut, wenn er seinen engen kleinen Scheißladen verlassen soll. Und er ist’n Telefon-Junkie – unmöglich, dass er nicht rangeht, wenn er da ist. Allmählich glaub ich tatsächlich, das Miststück hat Recht. Lucas ist tot, und da läuft’ne üble Scheiße ab …«

    »Das Miststück«, sagte Jackie hinterm Tresen, » weiß es schon!«
    »Sie weiß es.« Jammer stellte sein Plastikglas ab und befingerte seine Bolo-Tie. »Sie weiß es. Hat mit’nem Hoodoo in der Matrix gesprochen, also weiß sie es.«
    »Tja, Lucas antwortet nicht, Beauvoir antwortet nicht, also hat sie vielleicht Recht.« Bobby streckte die Hand aus und schaltete das Telefon ab, als der Piepton kam.
    Jammer hatte sich in ein gefälteltes Hemd, eine weiße Smokingjacke und eine schwarze Hose mit Galonstreifen geworfen, seine Arbeitskleidung für den Club, wie Bobby vermutete. »Keiner da«, sagte er jetzt und blickte von Bobby zu Jackie. »Wo sind Bogue und Sharkey? Und die Bedienungen?«
    »Wer sind Bogue und Sharkey?«, wollte Bobby wissen.
    »Die Barkeeper. Gefällt mir gar nicht.« Jammer stand auf, ging zur Tür und schob vorsichtig einen der Vorhänge zur Seite. »Was, zum Teufel, haben diese Flachwichser da draußen zu suchen? He, Count, das ist wohl eher deine Kragenweite. Komm mal her!«
    Bobby, dem nichts Gutes schwante – er hatte Jackie und Jammer tunlichst verschwiegen, dass er sich von Leon hatte sehen lassen, weil er nicht wie ein Wilson dastehen wollte -, erhob sich und ging zu dem Clubinhaber hinüber.
    »Na los, schau raus. Aber lass dich nicht sehen. Die tun so angestrengt so, als würden sie uns nicht beobachten, dass man’s fast riechen kann.«
    Bobby schob den Vorhang vorsichtig einen knappen Zentimeter weit auf und lugte hinaus. Die üblichen Kauflustigen waren verschwunden; stattdessen wimmelte es draußen von Gothicks mit schwarzen Haarkämmen in nietenbesetztem Leder und – erstaunlicherweise – einer ebenso großen Zahl blonder Kasuals, ausstaffiert mit den Shinjuku-Cottons der Woche und weißen Mokassins mit goldenen Schnallen.
»Ich weiß nicht«, sagte Bobby und schaute zu Jammer auf, »die dürften eigentlich nicht zusammen sein, Kasuals und Gothicks. Sind sozusagen natürliche Feinde. Liegt in der DNS oder so.« Er lugte nochmal hinaus. »Mist, das müssen ja an die Hundert sein.«
    Jammer vergrub die Hände tief in der faltenreichen Hose. »Kennste einen von denen persönlich?«
    »Mit’n paar Gothicks hab ich schon mal’n Wort gewechselt. Ist aber schwer, sie auseinanderzuhalten. Die Kasuals, die schlagen jeden zusammen, der kein Kasual ist. Das ist ihre Hauptbeschäftigung. Aber ich bin gerade von Lobes aufgemischt worden, und die sollen angeblich mit den Gothicks verbündet sein, also wer weiß?«
    Jammer seufzte. »Also haste wohl keine Lust, rauszugehn und einen zu fragen, was das Ganze soll?«
    »Nee«, sagte Bobby ernst, »absolut nicht.«
    »Hmmm.« Jammer sah Bobby abwägend an. Sein Blick gefiel Bobby gar nicht.
    Etwas kleines Hartes fiel von der hohen schwarzen Decke und landete klappernd auf einem der runden schwarzen Tische. Das Ding prallte ab, fiel auf den Teppichboden und rollte zwischen Bobbys neue Stiefel. Er bückte sich automatisch danach. Eine altmodische Schlitzschraube mit rostig braunem Gewinde und mattschwarzer Latexfarbe auf dem Kopf. Er schaute nach oben, als eine zweite auf den Tisch fiel, und sah aus den Augenwinkeln einen beängstigend wendigen Jammer neben der Universal-Kreditkonsole über den Tresen springen. Jammer verschwand, es machte leise ratsch – das Klettband -, und

Weitere Kostenlose Bücher