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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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hoch. Im Schein der Taschenlampe wirkte das Blut im Bart des Mannes sehr dunkel, fast schwarz. Es war Oakey. Turner schwenkte den Lichtstrahl nach links und sah, dass der andere Mann, der Pilot, Japaner war. Er ließ den Lichtstrahl wieder zurückwandern und sah eine flache schwarze Flasche neben Oakeys Fuß. Er hob sie auf, steckte sie in seinen Parka und lief zum Hovercraft zurück. Trotz des Regens züngelten nun rote Flammen aus dem Trümmerhaufen der Tankstelle. Er kletterte über die Stoßstange
des Hovers auf die Motorhaube, von dort aufs Dach und stieg durch die Luke ein.
    »Was ist passiert?«, sagte Angie, als wäre er gar nicht weg gewesen. »Was ist passiert?«
    Er ließ sich auf den Sitz fallen und brachte die Turbine auf Touren, ohne sich um den Gurt zu kümmern. »Das ist ein Hubschrauber von Hosaka«, sagte er, während er wendete. »Die müssen uns gefolgt sein. Hatten einen Laser. Sie haben gewartet, bis wir vom Highway runter waren. Wollten nicht, dass die Bullen uns da finden. Als wir hier reingefahren sind, wollten sie uns schnappen, aber sie dachten wohl, das arme Schwein da draußen gehörte zu uns. Vielleicht wollten sie auch nur’nen Zeugen beseitigen.«
    »Sein Kopf«, sagte sie mit zitternder Stimme, »sein Kopf …«
    »Das war der Laser«, erklärte Turner, während er wieder zum Highway hinauffuhr. Der Regen ließ jetzt merklich nach; es nieselte nur noch. »Dampf. Das Hirn verdampft und sprengt den Schädel …«
    Angie beugte sich vor und kotzte. Turner lenkte mit einer Hand; in der anderen hielt er Oakeys Flachmann. Er öffnete den Schnappverschluss mit den Zähnen und kippte einen ordentlichen Schluck von Oakeys Wild Turkey hinunter.
    Als sie den Seitenstreifen des Highways erreichten, war der Sprit des Honda zu den Flammen der zerstörten Tankstelle gelangt – und der verzerrte Feuerball führte Turner wieder das Einkaufszentrum vor Augen, das Licht der Leuchtkugeln und den in grelles Weiß getauchten Himmel, als der Jet zur Grenze nach Sonora raste.
    Angie richtete sich auf, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und begann zu zittern.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er und fuhr wieder Richtung Osten. Sie sagte nichts, und er schaute zu ihr hinüber und sah sie steif und aufrecht dasitzen. Ihre Augen glänzten weiß im
schwachen Schein der Instrumente, und ihr Gesicht war ausdruckslos. So hatte sie auch in Rudys Schlafzimmer ausgesehen, als Rudy und er von Sally hereingerufen worden waren. Und jetzt der gleiche Wortschwall, das gleiche leise Plappern, das irgendein französisches Patois hätte sein können. Er hatte keinen Rekorder, keine Zeit, er musste fahren …
    »Halt durch«, sagte er, während er beschleunigte, »das wird schon wieder …« Sicher konnte sie ihn nicht mal hören. Ihre Zähne klapperten; das hörte er trotz der Turbine. Halt an, sagte er sich, um ihr wenigstens was zwischen die Zähne zu stecken, die Brieftasche oder ein Stück Stoff. Ihre Hände zogen spastisch an den Gurten.
    »Ich habe ein krankes Kind im Haus.« Das Hovercraft wäre beinahe von der Fahrbahn abgekommen, als Turner die Stimme hörte, die aus ihrem Mund kam, eine tiefe, getragene und sonderbar klebrige Stimme. »Ich höre, wie sie um ihr blutiges Kleid würfeln. Zahlreich sind die Hände, die ihr Grab schaufeln heute Nacht, und deine gehören auch dazu. Feinde beten um deinen Tod, Mietling. Sie beten, bis sie schwitzen. Ihre Gebete sind ein Fieberschwall.« Und dann ein Krächzen, das Gelächter sein mochte.
    Turner wagte einen Blick und sah einen silbernen Speichelfaden von ihren starren Lippen hängen; ihre Gesichtsmuskulatur war zu einer Fratze verzerrt, die er nicht kannte. »Wer bist du?«
    »Ich bin der Herr der Straßen.«
    »Was willst du?«
    »Dies Kind als mein Pferd, auf dass es in den Städten der Menschen wandle. Es ist gut, dass du nach Osten fährst. Bring sie in deine Stadt. Ich werde sie wieder reiten. Und Samedi reitet mit dir, Bewaffneter. Er ist der Wind, den du in deinen Händen hältst, aber er ist launisch, der Herr der Friedhöfe, auch wenn du ihm gute Dienste geleistet hast …«

    Turner schaute zu ihr hinüber und sah gerade noch, wie sie seitlich in den Gurt sackte. Ihr Kopf hing herunter, und ihr Mund stand offen.

25
    Kasual/Gothick
    »Hier ist das Telefonprogramm des Finnen«, kam es aus dem Lautsprecher unter dem Bildschirm. »Der Finne ist nicht da. Falls Sie Daten rüberschicken wollen – den Zugangscode kennen Sie ja. Falls Sie eine Nachricht

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