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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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mal.« Er trommelte nervös auf die Tischkante. »Gibste’ne Runde aus?«
    Colin sah Kumiko über den Tisch hinweg an und verdrehte die Augen.
     
    »Ich verstehe das nicht«, meinte Kumiko, als sie wieder hinter Sally durch die Portobello Road stapfte. »Sie haben mich in eine Intrige verwickelt …«
    Sally klappte den Kragen hoch, um sich gegen den Wind zu schützen.

    »Aber ich könnte Sie doch verraten. Sie schmieden ein Komplott gegen den Geschäftspartner meines Vaters. Und Sie haben keinen Grund, mir zu vertrauen.«
    »Genauso wenig wie du mir, Schätzchen. Und hör auf, mich zu siezen. Vielleicht bin ich einer von den Bösewichten, die deinem Vater Kopfschmerzen bereiten.«
    Kumiko dachte darüber nach. »Stimmt das?«
    »Nein. Und falls du Swains Spionin bist, ist er neuerdings sehr viel bizarrer geworden. Falls du die Spionin deines alten Herrn bist, brauch ich Tick vielleicht gar nicht. Aber wenn der Yakuza diese Nummer abzieht, warum sollte er dann Roger als Strohmann benutzen?«
    »Ich bin keine Spionin.«
    »Dann fang mal langsam an, für dich selbst zu spionieren. Womöglich bist du mit deiner Flucht aus Tokio bloß vom Regen in die Traufe geraten.«
    »Aber warum hast du mich da hineingezogen?«
    »Du steckst bereits drin. Du bist hier. Hast du Angst?«
    »Nein«, sagte Kumiko und verstummte. Sie fragte sich, warum das wahr sein sollte.
     
    Am späten Nachmittag, als Kumiko wieder in der verspiegelten Mansarde allein war, setzte sie sich auf den Rand des riesigen Bettes und schlüpfte aus ihren nassen Stiefeln. Sie nahm das Maas-Neotek-Gerät aus ihrer Handtasche.
    »Was sind das für Leute?«, fragte sie den Geist, der auf dem Rand der schwarzen Marmorwanne hockte.
    »Deine Freunde aus dem Pub?«
    »Ja.«
    »Kriminelle. Ich persönlich würde dir dringend raten, dich nicht mit solchem Pack einzulassen. Die Frau ist Ausländerin. Nordamerikanerin. Der Mann ist aus dem Londoner East End. Offenbar ein Datendieb. Ich habe keinen Zugriff auf Polizeiakten
– außer bezüglich Verbrechen von historischer Bedeutung.«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Dreh das Gerät um.«
    »Was?«
    »Auf die Rückseite. Da siehst du eine halbmondförmige Rille. Steck den Daumennagel rein und dreh …«
    Ein winziger Deckel ging auf. Mikroschalter.
    »Stell den A/B-Wechselschalter auf B. Nimm einen dünnen, spitzen Gegenstand, aber keinen Biro.«
    »Keinen was?«
    »Kuli. Tinte und Staub. Verklebt alles bloß. Am besten wäre ein Zahnstocher. Damit stellst du auf stimmaktivierte Aufzeichnung.«
    »Und dann?«
    »Versteck das Gerät unten. Morgen spielen wir’s dann ab.«

6
    Morgenlicht
    Slick verbrachte die Nacht auf einem angefressenen grauen Stück Schaumstoff unter einer Werkbank in Factorys Erdgeschoss, in eine Luftpolsterfolie gehüllt, die laut raschelte und knisterte und nach freien Monomeren stank. Er träumte von Kid Afrika und von Kids Wagen; in seinen Träumen verschmolzen beide, und Kids Zähne waren kleine verchromte Schädel.
    Er erwachte von einer steifen Brise, die den ersten Schnee des Winters durch Factorys leere Fensterhöhlen hereinspie.
    Er lag da und grübelte über das Problem mit der Kreissäge des Richters, dessen Handgelenk sich immer verbog, sobald er daranging, etwas Dickeres als eine Spanplatte zu durchtrennen. Ursprünglich hatte er für die Hand künstliche Finger vorgesehen, die jeweils mit einer elektrischen Miniaturkettensäge
an der Spitze bestückt waren, aber dieses Konzept hatte aus einer Reihe von Gründen seine Gunst verspielt. Elektrizität war irgendwie nicht befriedigend; ihr fehlte das Physische. Luft war das Richtige, große Druckluftbehälter, oder ein Verbrennungsmotor, falls man die Teile dafür auftreiben konnte. Und auf Dog Solitude konnte man die Teile für praktisch alles auftreiben, wenn man lange genug danach grub; notfalls gab es ein halbes Dutzend Städte im Rostgürtel von Jersey mit vielen Hektar Maschinenschrott zum Ausschlachten.
    Er kroch unter der Bank hervor und zog die durchsichtige Decke aus winzigen Plastikpolstern dabei wie einen Umhang hinter sich her. Er dachte an den Mann auf der Trage oben in seinem Zimmer und an Cherry, die in seinem Bett schlief. Die würde sich keinen steifen Hals holen. Er streckte sich und zuckte zusammen.
    Gentry musste bald zurückkommen. Er würde es Gentry, der gar nicht gern Menschen um sich hatte, erklären müssen.
     
    Little Bird hatte in dem Raum, der als Factorys Küche diente, Kaffee gemacht. Der Boden

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