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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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das? Er hat dich nicht ihretwegen zu Swain verfrachtet, sondern weil’s Krieg gibt. Zwischen den Yakuzabossen haben keine Machtkämpfe mehr stattgefunden, seit ich auf der Welt bin, aber jetzt gibt’s wieder welche.« Das leere Glas klirrte, als Sally es hinstellte. »Dabei will er dich nicht in der Nähe haben, das ist alles. Wär zu leicht, an dich ranzukommen. Jemand wie Swain ist ziemlich weit vom Schuss, was Yanakas Rivalen angeht. Deshalb ist dein Pass auf’nen andern Namen ausgestellt, verstehst du? Swain schuldet Yanaka was. Also ist alles okay für dich, oder?«
    Kumiko merkte, dass ihr heiße Tränen kamen.
    »Na gut, es ist also nicht okay.« Die perlmuttfarbenen Nägel trommelten auf den Marmor. »Sie hat selber Schluss gemacht, und dir geht’s nicht gut. Fühlst dich schuldig, stimmt’s?«
    Kumiko blickte auf und schaute in zwei Spiegel.
     
    In der Portobello drängten sich die Touristen wie in Shinjuku. Sally Shears, die darauf bestanden hatte, dass Kumiko den Orangensaft trank, der warm und fad geworden war, führte sie auf die überfüllte Straße hinaus. Kumiko fest im Schlepptau, drängelte Sally sich an Klapptischen auf Stahlrohrgestellen vorbei, die mit zerrissenen Samtvorhängen und abertausend Sachen aus Silber und Bleikristall, Messing und Porzellan bedeckt waren. Kumiko machte große Augen, als Sally sie an stattlichen Reihen von Krönungstellern und bauchigen Churchill-Teekannen vorbeischleppte. »Das ist doch lauter Gomi «, meinte Kumiko, als sie an einer Kreuzung stehen blieben. Plunder. In Tokio wurde altes, nutzloses Zeug zum Landaufschütten verwendet. Sally grinste wölfisch. »Wir sind hier in
England. Gomi ist ein wichtiger natürlicher Rohstoff. Gomi und Talent. Und genau das such ich gerade: Talent.«
     
    Das Talent trug einen flaschengrünen Samtanzug und makellose Derbyschuhe aus Wildleder, und Sally fand ihn in einem anderen Pub, das The Rose and Crown hieß. Sie stellte ihn als Tick vor. Er war kaum größer als Kumiko und hatte einen krummen Rücken oder eine schiefe Hüfte, so dass er beim Gehen deutlich hinkte, was ihn noch asymmetrischer wirken ließ als ohnehin schon. Seine schwarzen Haare waren hinten und an den Seiten ganz kurzrasiert, türmten sich jedoch über der Stirn zu einer öligen Lockenpracht auf.
    Sally stellte Kumiko vor. »Meine Freundin aus Japan. Finger weg von ihr.« Tick lächelte matt und führte sie an einen Tisch.
    »Wie laufen die Geschäfte, Tick?«
    »Prima«, sagte er mürrisch. »Und wie lebt sich’s im Ruhestand?«
    Sally setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf eine gepolsterte Bank. »Na ja«, sagte sie, »so zwischendurch werd ich immer mal wieder aktiv.«
    Kumiko sah sie an. Ihre Wut war verflogen oder geschickt kaschiert. Während Kumiko Platz nahm, schob sie die Finger in ihre Handtasche und schloss sie um das Gerät. Schlagartig erschien Colin auf der Bank neben Sally.
    »Nett, dass du an mich denkst«, sagte Tick und nahm sich einen Stuhl. »Ist wohl schon zwei Jahre her.« Er zog eine Augenbraue hoch und machte eine Kopfbewegung in Kumikos Richtung.
    »Sie ist okay. Kennst du Swain, Tick?«
    »Nur vom Hörensagen, aber das reicht mir schon.«
    Colin verfolgte den Wortwechsel belustigt und interessiert und drehte dabei den Kopf hin und her wie bei einem Tennismatch.
Kumiko musste sich vergegenwärtigen, dass nur sie ihn sehen konnte.
    »Ich will, dass du ihn für mich unter die Lupe nimmst. Er darfs aber nicht spitzkriegen.«
    Tick sah sie groß an. Die gesamte linke Gesichtshälfte zog sich langsam zu einem kräftigen Zwinkern zusammen. »Also wirklich«, sagte er, »viel verlangst du ja nicht gerade, was?«
    »Gibt gutes Geld, Tick. Sehr gutes sogar.«
    »Suchste was Bestimmtes, oder ist es mehr allgemein? Jeder weiß doch, dass er’n Oberbonze in der Branche ist. Würd mich nicht unbedingt gern von ihm in seinem Datendomizil ertappen lassen.«
    »Andererseits ist da das Geld, Tick.«
    Zweimaliges Zwinkern.
    »Roger setzt mich unter Druck, Tick. Und jemand setzt ihn unter Druck. Ich weiß nicht, womit sie ihn in der Hand haben, und es ist mir auch egal. Mir reicht schon, womit er mich in der Hand hat. Was mich interessiert, ist, wer, wo, wann. Zapf seine Leitungen an. Er steht mit irgendwem in Verbindung, weil sich die Sachlage andauernd ändert.«
    »Würd ich’s denn merken, wenn ich’s sehe?«
    »Sieh’s dir einfach mal an, Tick. Tu mir den Gefallen.«
    Wieder das krampfhafte Zwinkern. »Meinetwegen. Probieren wir’s

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