Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
war aus verzogenen Plastikfliesen, und an einer Wand standen Spülbecken aus mattem Stahl. Die Fenster waren mit transparenten Planen verschlossen, die sich bei jedem Windstoß blähten und milchiges Licht einließen, das den Raum noch kälter machte, als er war.
    »Wie steht’s mit dem Wasser?«, fragte Slick, als er hereinkam. Eine von Little Birds Aufgaben war es, allmorgendlich nach den Tanks auf dem Dach zu sehen und angewehte Blätter oder gelegentlich eine tote Krähe rauszufischen. Dann checkte er die Dichtungen der Filter und ließ etwa vierzig Liter Frischwasser durch, falls es aussah, als könnte das Wasser knapp werden. Es dauerte fast den ganzen Tag, bis die vierzig Liter durchs Filtersystem in den Sammelbehälter gesickert waren. Dass Little Bird sich gewissenhaft darum kümmerte, war der Hauptgrund,
warum er von Gentry geduldet wurde, aber seine Schüchternheit spielte wohl auch eine Rolle. Little Bird verstand es, sich nahezu unsichtbar zu machen, was Gentry betraf.
    »Noch genug da«, sagte Little Bird.
    »Wär’s vielleicht möglich zu duschen?«, fragte Cherry, die auf einem alten Getränkekasten aus Plastik saß. Sie hatte Ringe unter den Augen, als hätte sie nicht geschlafen, aber die Wundstelle war mit Make-up überdeckt.
    »Nein«, sagte Slick, »jedenfalls nicht um diese Jahreszeit.«
    »Dacht ich mir schon«, sagte Cherry mürrisch, in ihre Lederjackenkollektion gekauert.
    Slick goss sich den Rest Kaffee ein und blieb vor ihr stehen, während er trank.
    »Ist was?«, fragte sie.
    »Ja. Du und der Typ oben. Wie kommt’s, dass du hier unten bist? Hast du frei oder was?«
    Sie zog einen schwarzen Piepser aus der Tasche der äußersten Jacke. »Wenn sich was tut, geht das Ding hier los.«
    »Gut geschlafen?«
    »Na ja, einigermaßen.«
    »Ich nicht. Wie lange arbeitest du schon für Kid Afrika, Cherry?«
    »So’ne Woche.«
    »Bist du wirklich’ne MTA?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Immerhin kann ich mich um den Count kümmern.«
    »Den Count? Der Typ ist ein Graf?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht heißt er auch nur so. Kid hat ihn jedenfalls mal so genannt.«
    Little Bird erschauerte. Er hatte sich an diesem Morgen noch nicht gestylt, so dass seine Haare in alle Richtungen abstanden. »Und was is’«, meinte Little Bird, »wenn er’n Vampir is’?«
    Cherry starrte ihn an. »Soll das’n Witz sein?«

    Little Birds Augen waren geweitet. Er schüttelte ernst den Kopf.
    Cherry blickte zu Slick hinüber. »Hat dein Freund noch alle Tassen im Schrank?«
    »Es gibt keine Vampire«, sagte Slick zu Little Bird. »Jedenfalls nicht in echt, verstehst du? Nur im Stim. Der Kerl ist nicht Dracula, okay?«
    Little Bird nickte langsam, schien jedoch keineswegs überzeugt. Der Wind straffte das Plastik vor dem milchigen Licht.
     
    Slick versuchte, den Vormittag über am Richter zu arbeiten, aber Little Bird war wieder verschwunden, und das Bild der Gestalt auf der Trage kam ihm ständig in die Quere. Es war zu kalt; er würde eine Leitung von Gentrys Bereich unterm Factory-Dach runterziehen und ein paar Heizgeräte anschließen müssen. Aber das bedeutete, mit Gentry um den Strom zu feilschen. Der Saft gehörte Gentry, weil dieser ihn der Fission Authority abzugaunern verstand.
    Es ging auf Slicks dritten Winter in Factory zu, aber Gentry war schon vier Jahre hier gewesen, als Slick dazustieß. Nachdem sie gemeinsam Gentrys Loft hergerichtet hatten, erbte Slick das Zimmer, in dem er Cherry und den Mann untergebracht hatte, den Kid Afrika Cherrys Worten zufolge Count nannte. Gentry vertrat die Ansicht, dass Factory ihm gehörte, weil er zuerst hier gewesen war und den Strom hergeleitet hatte, ohne dass die Authority was merkte. Aber Slick erledigte vieles in Factory, wozu Gentry selbst keine Lust gehabt hätte; er sorgte beispielsweise dafür, dass was zu essen da war, und wenn was Größeres kaputt ging, wenn’s einen Kurzen gab oder der Wasserfilter den Geist aufgab, so war Slick derjenige, der das Werkzeug hatte und es reparierte.
    Gentry mochte keine Menschen. Er verbrachte ganze Tage mit seinen Decks und FX-Orgeln und Holoprojektoren und
kam nur raus, wenn der Hunger ihn trieb. Slick verstand nicht, worauf Gentry eigentlich aus war, beneidete ihn aber um die Scheuklappen seiner Besessenheit. Er ließ nichts an sich ran. Kid Afrika wäre nie an Gentry rangekommen, denn Gentry wäre nie nach Atlantic City gegangen, dort in die Scheiße geraten und damit in Kid Afrikas Schuld.
     
    Ohne anzuklopfen

Weitere Kostenlose Bücher