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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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zweite gute Zeichen.
    Der Barkeeper schürzte die Lippen und nickte, als sie ihm einen Schein zeigte, also bestellte sie einen Bourbon und ein Bier dazu, was auch Eddy immer trank, wenn er selber zahlte. Wenn jemand anderes zahlte, bestellte er Cocktails, die der Barkeeper nicht kannte, und erklärte ihm dann langatmig, wie sie gemixt wurden. Dann trank er sie und moserte rum, dass
sie doch nicht so gut schmeckten wie in LA oder Singapur oder irgendwo anders, wo er nie gewesen war, wie sie wusste.
    Der Bourbon war komisch hier, irgendwie säuerlich, aber wirklich gut, wenn man ihn erst mal intus hatte. Das erzählte sie dem Barkeeper, der sie fragte, wo sie ihren Bourbon normalerweise trank. In Cleveland, sagte sie, und er nickte. Das sei Alk mit irgendwelchem Zeug drin, damit es nach Bourbon schmecke, erklärte er. Als er ihr sagte, wie viel von ihrem Geld noch übrig war, merkte sie, dass dieser Sprawl-Bourbon sündhaft teuer war. Aber er wirkte, nahm ihr das miese Gefühl, also kippte sie den Rest hinunter und ging zu ihrem Bier über.
    Lanette mochte Bars, trank jedoch nie was, nur Cola oder so. Mona würde nie den Tag vergessen, an dem sie sich zwei Kristalle gleichzeitig reingezogen hatte – einen Doppel-Hit, wie Lanette das nannte – und eine Stimme im Kopf hörte, klar und deutlich, als wäre jemand bei ihr im Zimmer: Es bewegt sich so schnell, dass es stillsteht. Und Lanette, die eine Stunde zuvor ein streichholzkopfgroßes Stück schwarzen Memphis in ihrem chinesischen Tee aufgelöst hatte, nahm selber einen halben Kristall, und dann gingen sie spazieren, durchstreiften die verregneten Straßen in einer vollkommenen Harmonie, die jede Unterhaltung überflüssig machte. So empfand Mona es jedenfalls. Und die Stimme hatte Recht gehabt, das plötzliche Einsetzen der Wirkung hatte nichts Unangenehmes, es gab kein Frösteln mit zusammengebissenen Zähnen; es war einfach so, als würde sich etwas, vielleicht Mona selbst, aus einem stillen Zentrum heraus ausdehnen. Und sie fanden einen Park, flache Wiesen mit silbernen Pfützen, und gingen alle Wege ab. Mona hatte einen Namen für diese Erinnerung: der Silberweg.
    Und eine Weile später verschwand Lanette spurlos. Die einen sagten, sie sei nach Kalifornien gegangen, andere behaupteten, nach Japan, und wieder andere meinten, sie sei an
einer Überdosis gestorben und aus dem Fenster geschmissen worden, was Eddy einen Trockensprung nannte, aber an so was wollte Mona nicht denken. Sie setzte sich aufrecht hin und schaute sich um. Ja, gar nicht übel, der Laden, ziemlich klein, so dass die Leute relativ eng zusammengepfercht waren, aber das fand sie manchmal ganz gut. Es war ein Künstlerlokal, wie Eddy so was nannte, mit Leuten, die Geld hatten, sich jedoch anzogen, als hätten sie keins, nur dass ihnen die Sachen passten und man wusste, sie hatten sie neu gekauft.
    Über den Flaschen hinterm Tresen war ein Fernseher, und auf einmal sah sie Angie, die direkt in die Kamera schaute und irgendwas sagte, aber der Ton war so leise gestellt, dass man bei der Geräuschkulisse im Laden nichts verstand. Die nächste Einstellung zeigte eine Häuserzeile direkt am Strand aus der Vogelperspektive, und dann war wieder Angie zu sehen, die lachend die Haare zurückschüttelte und für die Kamera ihr leicht wehmütiges Lächeln aufsetzte.
    »He«, sagte sie zum Barkeeper, »da ist Angie.«
    »Wer?«
    »Angie.« Mona deutete auf den Bildschirm.
    »Ja«, meinte er, »die ist auf irgend so’nem Designerscheiß und will runter davon, also geht sie nach Südamerika oder sonst wohin und löhnt ein paar Millionen, um sich wieder auf Vordermann bringen zu lassen.«
    »Die ist auf Shit? Unmöglich.«
    Der Barkeeper sah sie an. »Oder auf sonst was.«
    »Aber wieso hat sie überhaupt damit angefangen? Ich meine, sie ist doch Angie , oder?«
    »Gehört wohl einfach dazu.«
    »Aber schau sie dir doch an«, protestierte sie. »Sie sieht so gut aus …« Doch Angie war weg. Ein schwarzer Tennisspieler hatte ihren Platz eingenommen.

    »Glaubst du, das eben war sie ? Das war nur’ne Sprechpuppe.«
    »Puppe?«
    »So’ne Art Marionette«, sagte eine Stimme hinter ihr, und sie drehte sich um und sah einen blonden Schopf und ein lässiges, freundliches Grinsen. »Marionette.« Er hielt die Hand hoch und wackelte mit den Fingern. »Verstehst du?«
    Sie merkte, dass der Barkeeper das Wechselgeld hinlegte und hinterm Tresen davonging. Das freundliche Grinsen wurde noch breiter. »Damit sie den ganzen

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