Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
Kram nicht selber machen muss, klar?«
    Sie erwiderte das Lächeln. Hübscher Bursche, intelligente Augen und eine unterschwellige Ausstrahlung, die genau das Signal aussandte, das sie empfangen wollte. Kein Schlipsfreier. Ziemlich mager, aber vielleicht genau das Richtige für heute Nacht. Und der lässige, amüsierte Ausdruck rund um den Mund, der in eigentümlichem Gegensatz zu den leuchtenden, intelligenten Augen stand.
    »Michael.«
    »Hm?«
    »So heiß ich. Michael.«
    »Oh. Mona. Ich bin Mona.«
    »Woher kommst du, Mona?«
    »Florida.«
    Und würde Lanette ihr nicht raten, sich ranzuhalten?
     
    Eddy hasste das Künstlervolk; sie kauften nicht, was er feilbot. Michael hätte er noch mehr gehasst, weil Michael einen Job und ein Loft in einem Genossenschaftshaus hatte. Jedenfalls behauptete er, es sei ein Loft, aber als sie hinkamen, war es kleiner, als Mona sich ein Loft vorgestellt hatte. Das Haus war alt, eine Fabrik oder so. Einige Mauern waren aus sandgestrahltem Backstein, die Decken aus Balken und Brettern. Aber das ganze Gebäude war in Wohnungen wie die von Michael
aufgeteilt: ein Zimmer, kaum größer als das ihre im Hotel, mit einer Schlafnische auf der einen sowie Bad und Küche auf der anderen Seite. Immerhin lag sie im obersten Stock, so dass die Decke größtenteils aus einem Oberlicht bestand. Vielleicht war es deswegen ein Loft. Unter dem Oberlicht war eine horizontale rote Papierjalousie, die mit ihren Seilen und Rollen wie ein großer Drachen aussah. Der Raum wirkte unaufgeräumt, aber alles, was drin herumstand, war neu: dünne weiße Drahtstühle mit durchsichtigen Plastikschlaufen als Sitzfläche, aufeinandergestapelte Unterhaltungselektronik, eine Workstation und eine silberne Ledercouch.
    Sie fingen auf der Couch an, aber es gefiel ihr nicht, wie ihre Haut daran festklebte. Deshalb zogen sie in die Nische mit dem Bett um.
    Dabei fiel ihr Blick auf die Stim-Aufzeichnungsgeräte in dem weißen Wandregal. Aber das Wiz hatte wieder reingefetzt, und überhaupt, wenn man beschloss, sich ranzuhalten, sollte man es auch tun. Er steckte sie ins Aufnahmegeschirr, einen schwarzen Gummikragen mit Fühlerelektroden, die gegen ihre Schädelbasis drückten. Drahtlos; das war teuer, wie sie wusste.
    Während er sein Geschirr anlegte und die Geräte an der Wand checkte, erzählte er von seinem Job. Er arbeitete bei einer Firma in Memphis, die sich neue Firmennamen ausdachte. Im Moment suchte er gerade einen für eine Firma namens Cathode Cathay. Die brauchten ihn dringend, sagte er lachend, aber es sei nicht so einfach. Es gebe nämlich schon so viele Firmen, dass alle guten Namen bereits aufgebraucht seien. Er hatte einen Computer, der sämtliche Firmennamen kannte, einen zweiten, der neue Worte erfand, die als Namen taugten, und einen dritten, der überprüfte, ob die Neuprägungen auf Chinesisch oder Schwedisch nicht vielleicht »Dummkopf« oder dergleichen bedeuteten. Doch die Firma, bei der er
tätig war, verkaufte nicht nur Namen, sondern auch ein Image, wie er es nannte. Deshalb musste er mit einer Reihe von Leuten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der Name, den er kreierte, auch zum Rest des Pakets passte.
    Dann ging er mit ihr ins Bett, und es war eigentlich gar nicht so toll. Der Spaß war irgendwie weg, und sie hätte auch mit einem Freier zusammensein können, so wie sie jetzt dalag und daran dachte, dass er alles aufnahm, damit er es wieder abspielen konnte, wenn ihm danach war; und wie viele andere hatte er überhaupt schon im Kasten?
    Hinterher lag sie neben ihm und lauschte seinem Atem, bis das Wiz anfing, kleine Kreise auf ihrem Schädelboden zu ziehen und ihr immer wieder die gleiche Abfolge zusammenhangloser Bilder vorzusetzen: der Plastiksack mit ihren Sachen in Florida samt dem Drahtverschluss, der die Viecher abhielt – der alte Mann am Spanplattentisch, mit einem Schlachtmesser, dessen Klinge zu einem daumenlangen Stummel abgewetzt war, Kartoffeln schälend – eine krabbenförmige Krill-Bude in Cleveland mit gewölbten Rückenplatten aus Stahlblech und durchsichtigem Plastik, pink und orange gestrichen – der Prediger, den sie gesehen hatte, als sie sich die neuen Klamotten gekauft hatte, ihn und seinen bleichen, verschwommenen Jesus. Jedes Mal wenn der Prediger erschien, setzte er zum Sprechen an, sagte dann aber doch nichts. Sie wusste, dass es erst aufhören würde, wenn sie aufstand und sich mit was anderem beschäftigte. Sie stieg aus dem Bett, blieb daneben stehen

Weitere Kostenlose Bücher