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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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dachte nicht mehr an seine Zigaretten – musste er an den ganzen Telefonen vorbei. Sie klingelten der Reihe nach, als er sie passierte, aber jeweils nur einmal.

DRITTER TEIL
    Mitternacht in der Rue Jules Verne

8
    Archipel.
    Die Inseln. Torus, Spindel, Haufen. Menschliche DNS, die aus dem tiefen Gravitationsschacht quillt und sich wie ein Ölfilm ausbreitet.
    Man rufe eine Grafik ab, die den Datenaustausch im Archipel L-5 grob vereinfacht darstellt. Ein Segment rückt als roter Körper ins Bild, als massives Rechteck, das den ganzen Bildschirm einnimmt.
    Freeside. Freeside bedeutet vielerlei; manches davon bleibt den Touristen, die durch den Schacht pendeln, jedoch verborgen. Freeside ist Bordell und Bankenkonglomerat, Vergnügungspark und Freihafen, Grenzstadt und Kurort. Freeside ist Las Vegas und die Hängenden Gärten von Babylon, orbitales Genf und Heimstatt einer mit höchster Sorgfalt vereitelten Inzuchtfamilie, des Industrieclans von Tessier und Ashpool.
     
    Im THY-Flieger nach Paris saßen sie in der ersten Klasse zusammen. Molly hatte den Fensterplatz, neben ihr saß Case, Riviera und Armitage belegten die Plätze am Gang. Als das Flugzeug sich einmal über einer Wasserfläche in die Kurve legte, sah Case eine griechische Inselstadt, die wie ein Juwel unter ihm glitzerte. Und als er einmal zu seinem Trinkglas griff, bemerkte er in seinem Bourbon mit Wasser ein Ding, das Ähnlichkeit mit einem riesigen menschlichen Spermium hatte.

    Molly beugte sich über ihn und verpasste Riviera eine Ohrfeige. »Hör auf damit, Baby. Lass diese Spielchen. Wenn du mir mit so’nem unterschwelligen Scheiß kommst, tu ich dir richtig was. Ich kann das, ohne bei dir was kaputt zu machen. Würd mir sogar richtig Spaß machen.«
    Case blickte unwillkürlich zur Seite, um zu sehen, wie Armitage darauf reagierte. Das glatte Gesicht war ruhig, die blauen Augen wachsam, aber ohne Groll. »Sie hat Recht, Peter. Lass das!« Case wandte sich wieder ab und sah gerade noch eine schwarze Rose aufleuchten, deren Blüte wie Leder schimmerte und an deren schwarzem Stiel dorniges Chrom blitzte.
    Riviera setzte ein freundliches Lächeln auf, schloss die Augen und schlief auf der Stelle ein.
    Molly wandte sich ab. Ihre Linsen spiegelten sich im dunklen Fenster.
     
    »Du warst doch schon mal oben, oder?«, fragte Molly, als er im JAL-Shuttle auf der weichen Temperschaumcouch herumrutschte.
    »Nee. Ich reise nicht viel. Höchstens geschäftlich.« Der Steward brachte an seinem Handgelenk und dem linken Ohr Messelektroden an.
    »Hoffentlich kriegste kein SAS«, sagte sie.
    »Luftkrankheit? Garantiert nicht.«
    »Ist nicht dasselbe. Bei null g beschleunigt dein Herzschlag, und dein Innenohr schnappt für’ne Weile über. Löst’nen Fluchtreflex aus, als würdeste’n Signal kriegen, so schnell wie möglich wegzurennen. Schüttet auch’ne Menge Adrenalin aus.« Der Steward ging weiter zu Riviera und zog einen neuen Satz Troden aus seiner roten Plastikschürze.
    Case blickte zur Seite und versuchte, die Umrisse des alten Orly-Terminals auszumachen, aber die Shuttlerampe wurde von hübsch geformten Strahlabweisern aus nassem Beton abgeschirmt.
Auf dem vor dem Fenster war ein arabischer Slogan in roter Farbe aufgesprüht.
    Er schloss die Augen und redete sich ein, das Shuttle sei nur ein großes Flugzeug, das sehr hoch fliege. Es roch wie ein Flugzeug, nach neuer Kleidung, Kaugummi und Abgasen. Er lauschte der dudelnden Kotomusik und wartete.
    Zwanzig Minuten, dann presste die Schwerkraft ihn nieder wie eine weiche Riesenhand mit Knochen aus uraltem Gestein.
     
    Das Space-Adaptationssyndrom war schlimmer, als Molly es beschrieben hatte, ging aber ziemlich rasch vorüber, so dass er bald schlafen konnte. Der Steward weckte ihn, kurz bevor sie am JAL-Terminal anlegten.
    »Fliegen wir gleich weiter nach Freeside?«, fragte er, während er einen Krümel Yeheyuan-Tabak beäugte, der graziös aus seiner Hemdtasche geglitten war und nun zehn Zentimeter vor seiner Nase schwebte. Auf Shuttleflügen war Rauchen verboten.
    »Nein. Der Boss und seine Marotten, wie üblich, du weißt schon. Wir nehmen ein Taxi nach Zion, zum Zion-Haufen.« Per Tastendruck löste sie den Anschnallgurt und befreite sich aus dem Schaumpolster. »Komischer Treffpunkt, wenn du mich fragst.«
    »Wieso?«
    »Dreadlocks. Rastas. Die Kolonie ist schon runde dreißig Jahre alt.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wirst schon sehen. Ich find’s gar nicht so schlecht da. Wenigstens darf

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