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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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aufgebaut. Ja.« Molly wandte sich um, und sie spazierten weiter. »Kann durchaus sein. Der Kerl hat keinerlei Privatleben, soweit ich das sagen kann. Wenn du so’nen Typen vor dir hast, denkst du, der weiß was mit sich anzufangen, wenn er allein ist. Aber Armitage nicht. Der hockt da und starrt an die Wand, Mann. Dann macht’s klick, und er kommt voll auf Touren und rotiert für Wintermute.«
    »Warum hat er dann die geheime Datenbasis in London? Aus Nostalgie?«
    »Vielleicht weiß er nicht mal, dass es sie gibt. Vielleicht läuft sie nur auf seinen Namen, hm?«
    »Kapier ich nicht.«
    »Hab bloß laut gedacht … Wie schlau ist’ne KI, Case?«
    »Je nachdem. Manche sind nicht schlauer als’n Hund. Ein Schoßtier. Kosten trotzdem’nen Haufen Kohle. Die richtig schlauen sind so schlau, wie die Turing-Bullen es erlauben.«
    »Hör mal, du bist doch’n Cowboy. Wie kommt’s, dass du nicht total abfährst auf solche Dinger?«
    »Na ja«, sagte er, »zunächst mal sind sie selten. Die meisten gehören dem Militär, die schlauen zumindest, und das Eis können wir nicht knacken. Daher kommt überhaupt das ganze Eis. Und dann sind da die Turing-Bullen, und mit denen ist
nicht gut Kirschen essen.« Er sah sie an. »Was weiß ich, auf dem Trip bin ich halt nicht.«
    »Jockeys sind doch alle gleich«, sagte sie. »Null Phantasie.«
    Sie kamen an einen breiten, rechteckigen Teich, in dem Karpfen die Stiele einer bleichen Wasserpflanze anstupsten. Molly kickte einen losen Kieselstein hinein und beobachtete, wie sich die Wellen ausbreiteten.
    »Das ist Wintermute«, sagte sie. »Ich hab das Gefühl, das ist’n richtig dickes Ding. Wir sind am Rand, wo die kleinen Wellen so breit sind, dass wir den Stein nicht sehen, der in der Mitte eingeschlagen hat. Wir wissen, da ist was, aber wir wissen nicht, warum. Mich interessiert das Warum. Ich will, dass du dich auf die Socken machst und mit Wintermute sprichst.«
    »Du träumst wohl«, sagte er. »Ich käm nicht mal in seine Nähe.«
    »Probier’s!«
    »Keine Chance.«
    »Frag die Flatline!«
    »Was wollen wir überhaupt von diesem Riviera?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
    Sie spuckte in den Teich. »Weiß der Teufel. Ich könnte den Kerl umbringen, wenn ich ihn bloß sehe. Hab mir sein Profil angeschaut. Er ist’ne Art zwanghafter Judas. Kriegt nur einen hoch, wenn er weiß, dass er die Objekte seiner Begierde verrät. So steht’s jedenfalls in den Akten. Und sie müssen ihn zuerst lieben. Vielleicht liebt er sie ja auch. Deswegen hatte Terzi leichtes Spiel, uns Riviera zu liefern, weil der nämlich schon drei Jahre hier zugange ist und Politische an die Geheimpolizei verkauft. Terzi hat ihn vermutlich zusehen lassen, wenn sie die Schockerknüppel rausgeholt haben. In den drei Jahren hat er achtzehn Dissidenten verpfiffen. Alles Frauen zwischen zwanzig und fünfundzwanzig. So hatte Terzi immer gut zu
tun.« Sie steckte die Hände in die Jackentaschen. »Wenn Riviera eine gefunden hat, die er wirklich wollte, hat er dafür gesorgt, dass sie politisch wurde. Er hat’nen Charakter wie’ne Modern-Kluft. Sehr seltener Typ, dem Profil zufolge, schätzungsweise einer unter ein paar Millionen. Das sagt immerhin was Gutes über die menschliche Natur aus, finde ich.« Mit verdrießlicher Miene betrachtete sie die weißen Pflanzen und die trägen Fische. »Ich werd wohl’ne Spezialversicherung gegen diesen Wichser abschließen müssen.« Dann wandte sie sich ab und lächelte, und es war ein sehr kaltes Lächeln.
    »Was meinst du damit?«
    »Egal. Komm, fahren wir nach Beyoglu zurück und pfeifen uns was Frühstücksähnliches ein. Hab heute wieder’ne anstrengende Nacht vor mir. Erst muss ich sein Zeug aus seiner Wohnung in Fener holen, dann in den Basar zurück und ihm Drogen besorgen …«
    »Ihm Drogen besorgen? Womit hat er das denn verdient?«
    Sie lachte. »Er überschlägt sich nicht grade vor Kooperationsbereitschaft, Süßer. Und ohne seinen Stoff kann er anscheinend nicht arbeiten. Gefällst mir übrigens besser jetzt, bist nicht mehr so klapperdürr.« Sie lächelte. »Ich werd also zu Ali dem Dealer gehn und Nachschub holen, klaro?«
     
    Armitage wartete in ihrem Zimmer im Hilton.
    »Zeit zum Packen«, sagte er, und Case versuchte, den Mann namens Corto hinter den hellblauen Augen und der sonnengebräunten Maske zu entdecken. Er dachte an Wage in Chiba. Sobald solche Obermacker eine bestimmte Position erreicht hatten, neigten sie dazu, ihr eigentliches Wesen

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